Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann (MdB) kandidiert für die Freie Demokratische Partei (FDP) zur Bundestagswahl. Er ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort für seine Fraktion Sprecher für Forschungspolitik. In unserer Umfrage zur Bundestagswahl hat er uns Auskunft gegeben.
RE:GUBEN: Wie und mit welchen Schwerpunkten sind aus Ihrer Sicht Cottbus und Spree-Neiße mit organisierten Neonazis, ausländerfeindlichen Einstellungen sowie Ablehnung demokratischer Institutionen und Ideen konfrontiert?
Martin Neumann: Neonazistische Gruppierungen, ausländerfeindliche Einstellungen und Versuche unter Nutzung legaler Mittel und Methoden der politischen Willensbekundungen nazistisches Gedankengut zu verbreiten gibt es im ganzen Bundesgebiet. Diese Phänomene sind auch in der Lausitz nicht zu übersehen. Auffällig ist, dass insbesondere dort, wo es eine erhöhte Arbeitslosigkeit gibt, soziale Spannungen auftreten und Menschen kaum Chancen sehen, durch reguläre Arbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, ein günstiger Nährboden für populistische und ausländerfeindliche Parolen und Einstellungen besteht.
Worin sehen Sie Ursachen der genannten Phänomene? Wie können demokratische Akteure mit ihnen umgehen?
Nachdem der Euphorie der Wiedervereinigung Deutschlands der Alltag folgte und die Erkenntnis wuchs, dass Arbeit und Wohlstand nicht vom Staat verordnet und politisch erzwungen werden können und die versprochenen blühenden Landschaften kein Geschenk des Himmels sein werden, mussten neue Orientierungen, Erfahrungen und politische Überzeugungen gefunden werden. Dieser Prozess wurde begleitet durch eine prekäre wirtschaftliche Lage ganzer Regionen, mangelnde Arbeitsplätze, Unterbrechungen in persönlichen Bildungswegen und Karriereabbrüchen. Ein oft schmerzhafter Prozess, der Spuren hinterlässt und insbesondere Jugendliche aus betroffenen Familien empfänglich macht für Gruppierungen und Organisationen die scheinbaren Halt bieten und angeblich „Schuldige“ am Dilemma schnell ausmachen. Noch dazu schaffen es viele der rechtsextremen Gesinnungsverbände, mit populistischen Forderungen (Kinderschutz, Umweltschutz) Stimmen für sich zu gewinnen.
Die Koalitionsregierung hat dem in den letzten Jahren u.a. durch wirtschaftliches Wachstum, verringerter Arbeitslosigkeit, einem deutlichen Plus für Wissenschaft und Bildung, Schaffung von einem Mehr an Chancengleichheit und Verbesserungen in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein sehr erfolgreiches Mittel entgegengesetzt.
Wenn Sie in der Bundestagswahl 2013 gewählt werden, welche Ideen in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Neonazis, Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit wollen Sie umsetzen?
Die Grundlage der Auseinandersetzung muss Wissen sein. Wissen um die Geschichte Deutschlands, Wissen um die wahre Gesinnung und die Zusammenhänge an den extremistischen Rändern der Gesellschaft. Als Kuratoriumsmitglied der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) setze ich mich bereits heute für eine breite politische Bildung, vor allem bei Jugendlichen ein. Ich lade regelmäßig Jugendliche (aber auch Erwachsene) in den Bundestag ein, um die Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaats zu erklären, und die Europäische Ebene unserer Politik zu beleuchten.
In Cottbus gibt es Organisationen und Initiativen (z.B. Cottbus bekennt Farbe, Cottbus nazifrei), deren demokratische Maßnahmen und Demonstrationen ich unterstütze. Auch als Vorstandsmitglied der Karl-Hamann-Stiftung sorge ich für einen demokratischen Austausch von Wissen und Erfahrungen. Je präsenter demokratische Kräfte im Alltag sind, desto weniger Platz bleibt für Extremisten.
Wie kann Ihres Erachtens in Guben die öffentliche Erinnerung an Farid Guendoul und seinen Tod gestaltet werden? Worin sehen Sie Notwendigkeiten, Potenziale oder Schwierigkeiten einer solchen Erinnerung?
Die „Hetzjagd von Guben“ war ein Fall, der nicht nur hier in der Lausitz viel Aufmerksamkeit und Bestürzung auf sich gezogen hat. Dieser Vorfall zeigt beispielhaft, wohin Menschenverachtung und Fremdenfeindlichkeit selbst vor unserer Haustür führen können. Er sollte Mahnung und Verpflichtung dafür sein, nicht wegzuschauen und unduldsam zu werden gegenüber allen Versuchen nazistisches Gedankengut und Ausländerhass zu verbreiten, damit diese Tragödie sich niemals und nirgends wiederholen kann.
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