RE:GUBEN http://www.re-guben.de fragt nach den Folgen des Todes Farid Guendouls, der am 13. Februar 1999 auf der Flucht vor einer Gruppe Neonazis in Guben starb. Was geschah in jener Nacht? Wie wurde mit der Tat umgegangen? Wie kann Gedenken gestaltet werden? Wie reagieren Politik und Gesellschaft? Fri, 02 May 2014 16:27:31 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8 13. Februar 2014 http://www.re-guben.de/?p=760 http://www.re-guben.de/?p=760#comments Thu, 13 Feb 2014 17:33:27 +0000 http://www.re-guben.de/?p=760 Heute vor 15 Jahren starb Farid Guendoul. In Guben fand gestern ein Stilles Gedenken statt. Vertreter der Linkspartei, der Stadtverwaltung sowie der amtierende Bürgermeister und einige Bürger legten Kränze am Gedenkstein in der Hugo-Jentsch-Straße nieder. Eine Gruppe Gubener Neonazis marschierte derweil durch Dresden, zusammen mit mehreren hundert Gesinnungskameraden aus anderen Städten.

Mit dem 15. Todestag Farid Guendouls endet unser Projekt, in dem wir versucht haben, darüber zu reden, was 1999 und in den folgenden Jahren geschah, wie die Erinnerung an Guben gestaltet ist, welche Erfahrungen (ehemalige) Gubener in der Stadt gemacht haben. Nachzulesen sind nun zum Beispiel Dokumentationen zur Tatnacht und zum Gerichtsverfahren gegen die Täter. Hervorzuheben ist auch der Dokumentarfilm Das kurze Leben des Omar Ben Noui von Kristian Kähler. Wir haben in Interviews Blicke auf die Stadt zusammengetragen, die es ganz ähnlich auch auf viele andere Orte gibt. Wir haben unseren Blick aber auch über Guben hinaus auf das Gedenken an Todesopfer rechter Gewalt gerichtet. Den Abschluss bildet eine Ausstellung in der Galerie „Werkraum Bild und Sinn“.

Zum Ende des Projekts möchten wir allen danken, die mit uns in Interviews ihre Gedanken geteilt haben, die Beiträge verfasst oder uns bei der Arbeit an dieser Seite unterstützt haben. Wir danken auch denen, die dazu beigetragen haben, diese Webseite öffentlich bekannt zu machen, die uns ihre Meinung mitgeteilt und mit uns diskutiert haben. Ebenso danken wir der Amadeu Antonio Stiftung, der Sebastian Cobler Stiftung und der Rosa Luxemburg Stiftung, die dieses Projekt unterstützt haben.

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„Blühende Landschaften“ – Neonazi-Gewalt in Brandenburg 1989-1993 http://www.re-guben.de/?p=757 http://www.re-guben.de/?p=757#comments Tue, 11 Feb 2014 22:36:12 +0000 http://www.re-guben.de/?p=757 Wie war das – Anfang des 1990er Jahrzehnts in Ostdeutschland? Ein Staat brach zusammen und es taten sich für ein paar Monate unendliche Möglichkeiten auf. Die Reste des Staats wurden übernommen und es brach noch mehr zusammen: wirtschaftliche und soziale Strukturen, Existenzen. Deutschland wurde Fußballweltmeister und die D-Mark das gängige Zahlungsmittel. Und in all dem explodierte die Gewalt. Jeder Schlägertyp schor sich die Haare und kaufte sich eine grüne Bomberjacke. Das Deutschland auf ihren Aufnähern hatte die Grenzen von 1938. Westdeutsche Neonazis tingelten durchs Land und leisteten Aufbauarbeit. Ihre ostdeutschen Kameraden standen ihnen in nichts nach: „Deutschland, Deutschland!“ Politik, Polizei, Sozialarbeit und Medien versagten weitgehend. Vielmehr wurde die Einschränkung des Asylrechts Regierungsprogramm.

Als Orte, an denen Mobs aus Neonazis und „normalen“ Deutschen tagelang militant gegen Ausländer vorgingen, blieben Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in der Erinnerung haften. An ihnen wird heute die Situation Anfang der 1990er festgemacht. Aber was geschah abseits der Symbole? Wie war es in Guben? Dort schlossen sich Neonazis in der „Gubener Heimatfront“ zusammen, die bis zu 200 Leute mobilisieren konnte und berüchtigt für ihre Gewalttätigkeit war. Erinnert sich jemand an die Angriffe auf die sogenannten und nicht mehr benötigten „Vertragsarbeiter“? Und wie war das mit den Angriffen auf Asylbewerberheime in Cottbus, Lübbenau oder Schwarze Pumpe? Wer kann sich daran erinnern und wer will sich erinnern? Und was hat das alles mit heute zu tun?

Im Demokratischen JugendFORUM Brandenburg (DJB) – übrigens auch der Trägerverein von RE:GUBEN – hat sich eine Projektgruppe zusammengefunden, die solchen Fragen nachgeht. Mit umfangreichen Zeitungsrecherchen und Zeitzeugeninterviews hat sie begonnen, die Situation im Land Brandenburg zwischen 1989 und 1993 zu rekonstruieren. Eine Analyse und einen Teil der Dokumente macht der Verein nun in seinem Blog Blühende Landschaften online zugänglich. RE:GUBEN sprach darüber mit Daniela Guse und Susanne Lang vom DJB.

Was kann man online von euerm Projekt sehen?

DG: Grundsätzlich kann man sagen, dass wir Material zusammentragen. Wir haben in den vergangenen Monaten Interviews mit Zeitzeugen geführt, die die Entwicklung in Brandenburg Anfang der 90er miterlebt haben. Unser Ansatz war, etwas über Neonazi-Gewalt und rassistische Pogrome in der Zeit herauszufinden. Dazu haben wir Leute befragt, mit denen wir eine gemeinsame Sprache finden konnten. Diese Interviews machen wir zugänglich. Dazu haben wir einen Text erarbeitet, der verdeutlicht, wie die Situation von den Leuten wahrgenommen wird. Der Titel „Warnschüsse wären in diesem Fall gerechtfertigt gewesen“ ist aus einem Interview mit Frau Leichsenring, damals Polizeipräsidentin in Eberswalde, die darin über den Tod von Amadeu Antonio nachdenkt, wie die Situation in der Polizei und in der Stadt war, wie es dazu kommen konnte. Wir haben versucht, mit allen möglichen Akteuren zu reden, die im weitesten Sinn damit zu tun hatten, entweder auf so einer Ebene wie Frau Leichsenring oder dass sie betroffen waren oder aktiv wurden.

SL: Wir haben die Interviews ausgewertet und versucht, daraus Schlüsse zu ziehen. Die einzelnen Interviews sind darüber hinaus aber sehr reichhaltig und bieten Einblicke in die jeweilige Wahrnehmung der Zeit. Gerade aus den Anekdoten kann man die damalige Stimmung ablesen. Das ist viel umfangreicher als das, was wir in unserer Analyse zusammengestellt haben. Deshalb finden wir es wichtig, dass man die Original-Interviews einsehen kann.

DG: Noch nicht online ist unsere Zeitungsrecherche. Wir haben für den Zeitraum 1989 bis 1991, teilweise noch bis in das Jahr 1992 hinein, vier Zeitungen ausgewertet, die Märkische Volksstimme und den Neuen Tag und dann deren Nachfolger Märkische Allgemeine und Märkische Oderzeitung.

SL: Für das Erscheinungsgebiet dieser Zeitungen, also Nord-, West- und Ost-Brandenburg, haben wir nach allem gesucht, was zum Thema Pogrome, rassistische Stimmungen oder Bewertung von Neonazis, Neonazi-Organisierung erschienen war. Wir haben die Microfiche-Ausgaben der Zeitungen durchgesehen, die Artikel verschlagwortet und exzerpiert. Perspektivisch wollen wir auch dieses Archiv zugänglich machen. Dafür sind aber noch ein paar technische und rechtliche Fragen zu klären.

Wie seid ihr denn zu so einem Geschichts-Projekt gekommen?

SL: Inspiriert haben uns die Leute aus Hoyerswerda von pogrom91. Sie waren gewissermaßen Ideengeber. Zu dem Zeitpunkt, als wir mit dem Projekt begonnen haben, fing die NPD-Kampagne mit Demonstrationen vor Asylbewerberheimen oder möglichen Asylbewerberheimen an, in Mecklenburg-Vorpommern, letztes Jahr auch in Brandenburg oder in Hellersdorf. Wir haben uns gefragt, was die Ausgangsbedingungen für eine Resonanz in der Bevölkerung sind, was zum Beispiel eine ausländerfeindliche Stimmung ermöglicht.

DG: Wir haben auch festgestellt, dass ein Teil von uns wenig über die Zeit Anfang der 90er weiß, weil er zu jung dafür ist. Andere konnten sich nach der Zeit nicht mehr an alles genau erinnern. Das überlagert sich. Deshalb war es für uns interessant, sich die Ereignisse zu vergegenwärtigen, einerseits durch die Interviews mit Zeitzeugen und andererseits durch die Zeitungsrecherchen.

SL: Am Anfang dachten wir noch so: Wir machen ein paar Interviews und können dann sagen, wie es „wirklich“ war. Davon sind wir sehr schnell weggekommen, weil wir gemerkt haben, dass wir überhaupt erstmal anfangen müssen, die Situation damals zu begreifen. Und das heißt nicht, dass wir als Gruppe das verstehen, sondern dass es eine gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber geben müsste. Die hat es noch nie gegeben. Bei den Gesprächen hatten wir das Gefühl, die 20 Jahre sind gerade genug zeitlicher Abstand, um wenigstens anzufangen nachzudenken. Damals gingen die Veränderungen so schnell und waren so existenziell, dass man keine Möglichkeiten hatte, darüber zu reflektieren. Jetzt kann man anfangen über die 90er Jahre zu reden und auch persönlich zu überlegen, warum habe ich mich so verhalten, was waren meine Einflüsse… Gleichzeitig haben wir gemerkt, dass viel verschütt ist, weil die Ereignisse 1989/90 und danach in einem unglaublichen Tempo abliefen. Man muss sich vorstellen, in welcher Geschwindigkeit da der neue deutsche Staat geschaffen wurde.

Wir wollen mit dem Projekt eine Perspektive stärken, die aus unserer Sicht etwas untergeht. Man ist heute schnell dabei zu sagen, dass es in den 90ern schlimm war, aber inzwischen alles viel besser ist. Das ist auch ein logischer Schluss – die Arbeit der Zivilgesellschaft in den letzten 20 Jahren muss ja irgendwas gebracht haben. Aber das wollen wir hinterfragen: Wie war denn die Situation damals? Kann man von besser und schlechter sprechen? Was sind die Veränderungen? Wir finden es dabei gar nicht so wichtig, was wir uns denken. Interessanter wäre, wenn mehr Leute darüber nachdenken, was für eine Zeit das war, wie die Situation zustande kam, was die Bedingungen waren.

Ihr habt euch aber natürlich auch selber Gedanken gemacht. Wie ist denn eure Einschätzung? Gibt es eine Antwort auf die Frage, wie das alles zustande kam?

SL: Ich möchte darauf erstmal gar keine Antwort geben, weil die wesentliche Erkenntnis aus dem Projekt für uns ist, dass wir zum einen einen breiten Diskurs und zum anderen einen offenen Diskurs brauchen. Wir, das heißt nicht nur wir als Gruppe, sondern Leute, die die Zeit erlebt haben, fangen gerade noch einmal damit an, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Daneben haben wir aber auch schon seit Jahren Spezialdiskurse von Sozialwissenschaftlern, Journalisten oder linken Aktivisten, die alle ihre These und ihr Erklärungsmodell haben, die DDR, die Töpfchen im Kindergarten oder Deutschland an sich. Jede These ist für sich so besprochen, durchgekämpft und verteidigt, als wäre sie die einzig richtige. Es ist auch eine sehr emotional geführte Debatte.

Es gab und gibt darin auch einen Ost-West-Konflikt. Zugespitzt gesagt, da die Zivilgesellschafts- und Polit-Profis, die dem Osten Demokratie erklären, und dort spezifische Identitäten und die Erfahrung von Deligitimation. Ich glaube, viele Leute nehmen das als „Minenfeld“ wahr. Uns ist in den Interviews aufgefallen, dass die Leute, die anfangen, darüber zu reden, was passiert ist, sehr vorsichtig sind mit der Wiedergabe von Einschätzungen, Vermutungen, Gefühlen und Thesen, warum es dazu gekommen ist. Einerseits ist völlig klar: Wenn man über die Pogrome reden will, muss man auch über die wirtschaftlichen, sozialen, politischen Veränderungen und ihre Wirkungen reden, also über diese „Wendewirren“, die Brüche in allen Lebensbereichen mit ihren zum Teil brutalen Folgen. Andererseits ist nicht nur bei uns das Gefühl da, dass einem dann Vorwürfe gemacht würden, dass man die DDR verteidigen würde oder alles kleinredet oder Nazis in Schutz nimmt oder auch ein Rassist wäre oder oder. Da spielen jede Menge Reflexe, Vorurteile und Verteidigungshaltungen mit hinein.

Vielleicht klingt das hier auch etwas identitär. Aber für uns geht es um eine Auseinandersetzung, um eine offene Diskussion, darum sich zu emanzipieren und selbst einen Umgang zu finden. Natürlich kann an allen Thesen etwas dran sein. Natürlich hatte es etwas mit der DDR-Gesellschaft zu tun, dass es rassistische Gewalt war, aber genauso hatte es was mit der „Integrationssituation“ der DDR in die BRD zu tun. Uns geht es darum, zu verstehen und vielleicht eine weitere Debatte anzustoßen. Wir müssen anfangen, darüber zu reden, was damals passiert ist, nicht nur über die Pogrome, sondern über alles.

Daran hängen dann auch Fragen der eigenen politischen Sozialisation: Warum haben wir eine unabhängige, nicht hierarchische Struktur wie das DJB aufgebaut, warum sind wir nicht in einen großen Verband oder eine Partei eingetreten? Warum haben wir uns damals dafür entschieden, Jugendkulturarbeit zu machen? Was waren die Einflüsse, was waren die Referenzpunkte? Man lernt daraus auch für heute. Die Auseinandersetzungen, die vor uns liegen, um Neonazis und Demokratie zum Beispiel, brauchen das Verständnis davon, was damals passiert ist. Vielleicht kann man sich so auch von Perspektiven lösen, in die man so hineingewachsen ist.

Macht ihr das Projekt weiter?

DG: Wir haben schon überlegt, das Projekt auszubauen, zum Beispiel noch mehr Interviews zu führen. Die „Datenbasis“ ist natürlich noch erweiterbar. Ich glaube, dass es schon ein Schritt ist, überhaupt das Material zu sammeln und zur Verfügung zu stellen für alle, die sich damit beschäftigen wollen und darauf für ihre Fragestellungen zugreifen wollen. Es gibt die Option, daraus andere Projekte zu entwickeln. Derzeit diskutieren wir zum Beispiel, mehr Video-Interviews zu führen. Aus dem, was man in der Arbeit erfährt, können immer wieder neue Ideen entstehen. In den Interviews haben wir bemerkt und auch die Interviewten selbst festgestellt, dass sie noch gar nicht so viel über das Thema nachgedacht haben. Wenn man jetzt mit denselben Personen nochmal Interviews machen würde, würde man sicher noch weitere Antworten bekommen.

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Jurist/innen und Journalisten im Interview zum Fall Guben http://www.re-guben.de/?p=749 http://www.re-guben.de/?p=749#comments Fri, 03 Jan 2014 10:02:19 +0000 http://www.re-guben.de/?p=749 Unsere Dokumentation Rassistische Gewalt vor Gericht – Gespräche über den Fall Guben behandelt das Gerichtsverfahren, in dem das Landgericht Cottbus vom 3. Juni 1999 bis zum 13. November 2000 gegen elf Jugendliche und Heranwachsende aus Guben verhandelte. Sie hatten am frühen Morgen des 13. Februar 1999 Farid Guendoul, Khaled B. und Issaka K. verfolgt und angegriffen. Beim Versuch zu fliehen erlitt Farid Guendoul eine Verletzung der Beinarterie und verblutete. Die Dokumentation umfasst Interviews mit vier Jurist/innen, die als Richter, Verteidiger oder Nebenklagevertreterinnen am Verfahren beteiligt waren, sowie mit zwei Journalisten, die es kontinuierlich beobachteten.

Das Gerichtsverfahren war seinerzeit der Ort, an dem die Tat im Detail rekonstruiert wurde. Minutiös wurden die Abläufe der Tatnacht, die individuellen Beteiligungen der Täter und ihre Verantwortlichkeit dargestellt. Diese Aufklärung wurde in der lokalen Gubener Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Das Verfahren ist insofern als ein Gegenpol zu lokalen Diskursen zu sehen, in denen die Täter von ihrer Verantwortung „freigesprochen“ werden. Man kann den „Fall Guben“ über den konkreten Prozess und die Urteile hinaus als Beispiel dafür verstehen, welche Möglichkeiten ein Gericht im Umgang mit rassistisch motivierten Taten hat und welche nicht, welche Wirkungen es erzielen kann, welche Erwartungen von außen herangetragen werden und welche Erwägungen die Wahrnehmung und das Handeln der Beteiligten prägen. Weiterlesen →

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=723 http://www.re-guben.de/?p=723#comments Thu, 12 Dec 2013 22:11:39 +0000 http://www.re-guben.de/?p=723 Den 15. Todestag von Farid Guendoul verstreichen zu lassen, ohne ein Statement abzugeben, hätte bedeutet, dass niemand in der Öffentlichkeit an ihn erinnert. Seine Familie in Algerien wird im kommenden Februar wahrscheinlich an ihn denken. Eine Handvoll Gubener_innen würde wie jedes Jahr am Gedenkstein ein paar Blumen niederlegen. Seine damalige Freundin, die seine Tochter geboren hat, wird ihn nicht vergessen haben. Die Lokalausgabe der Lausitzer Rundschau würde zwei oder drei Zeilen, vielleicht ein Bild abdrucken. Darüber hinaus gäbe es Schweigen. Ein Schweigen, dass der Mehrheitsgesellschaft in Guben gefallen würde, die nicht nur fragt, was sie mit einem Ereignis zu tun hat, dass fünfzehn Jahre zurück liegt, sondern auch, warum immer nur an das Negative erinnert wird. Guben habe schließlich inzwischen eine schöne Innenstadt, moderne Umgehungsstraßen und kann auf Verbesserungen auf dem lokalen Arbeitsmarkt verweisen.

Als wir uns dieses Szenario im Frühjahr des vergangenen Jahres auf einem Balkon in Berlin vor Augen führten, war uns klar, dass wir mit einem solchen Verlauf unzufrieden sein werden. Es sind nicht nur die Täter und ein Dutzend Nazis in Guben, die das Problem darstellen. Wenn in der sächsischen Kleinstadt Schneeberg an Wochenenden im November 2013 mehr als 1.000 Neonazis und rassistische Bürger_innen gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende demonstrierten, dann überrascht mich das nicht. Es ist Rassismus, der in Kleinstädten wie Schneeberg so viele Menschen auf die Straßen treibt, wie zuletzt 1989 zur sogenannten friedlichen Revolution. Und ihr Ruf „Wir sind das Volk!“ ist nur konsequent. Das, was mich daran aber wirklich empört, sind 12.000 Schneeberger_innen, die an einem solchen Tag einfach zu Hause bleiben, die wegschauen und einen solchen Aufmarsch ignorieren und sich nicht gegen die Rassist_innen vor ihrer Haustür positionieren. Solange es die Gubener_innen nicht hinbekommen, einen Umgang mit dem tödlichen Rassismus und dem Gedenken an den getöteten Farid Guendoul in ihrer Stadt zu finden, ist jederzeit der richtige Zeitpunkt darauf zu reagieren und ihnen einen Spiegel vor die Nase zu halten. Guben ist nicht anders als Schneeberg, Hoyerswerda oder Mügeln. Wenn niemand von außen kommt, der die Realität sichtbar macht, dann wird sich auch niemand für sie interessieren.

 

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=721 http://www.re-guben.de/?p=721#comments Thu, 12 Dec 2013 22:11:18 +0000 http://www.re-guben.de/?p=721 Die traurige Bilanz der vergangenen 23 Jahre: 27 Todesopfer in Folge rechter Gewalt allein in Brandenburg. Farid Guendoul war einer von ihnen. Sein Todestag jährt sich am 13. Februar 2014 zum fünfzehnten Mal. Viel Zeit ist also seit der sogenannten Hetzjagd von Guben vergangen. Viel Zeit, die zu Veränderungen hätte führen können. Im Kontext des Umgangs mit Opfern rechter Gewalt gilt: viel Zeit, in der sich hätte mehr verändern müssen. Aber damals wie heute lautet der Wunsch der Gubener Bevölkerung, „Gras über die Sache wachsen zu lassen“. Und damals wie heute ist dieser Wunsch moralisch hochgradig verwerflich.

Optisch hat sich in Guben in den vergangenen 15 Jahren einiges getan. Ja, es ist fast hübsch geworden, nur leben will dort kaum noch wer. Die kleine Stadt an der Neiße hat mittlerweile nur noch knapp 18.000 Einwohner. Gerade die Jüngeren nutzen Chancen, die Stadt zu verlassen. Daher ist der Anteil, der unter 25 Jährigen, hier nur noch gering. Nun sind es gerade die jungen Menschen, die gesellschaftliche Prozesse in Frage stellen und die durch Kreativität sowie dem Willen sich auszuprobieren, einer Stadt das „gewisse Etwas“ verleihen. Guben hat dies nicht.

Zähneknirschend schaue ich heute auf diese Stadt. Einer Stadt, in der das Erleiden von Rassismus für mich Alltag bedeutete. Ein alltäglicher Rassismus, der in der Gubener Bevölkerung nicht der Rede wert zu sein scheint, auch nicht, nachdem er ein Menschenleben forderte. Schön sanierte Plattenbauten und ein neuer Stadtkern trüben diese Erinnerungen nicht – denn ich erinnere mich.

Die Frage nach dem „warum jetzt“ stellt sich für mich nicht. Ganz im Gegenteil: Das Erinnern an Farid Guendoul, die Auseinandersetzung mit den Themen Rechtsextremismus und Rassismus ist für mich selbstverständlich und sollte es auch für die Gubener Bevölkerung sein. Doch die ältere Generation ist das Thema in ihrer Stadt leid und die jüngere Generation der Gubener, welche keine eigene Erinnerung an die Tatnacht haben, sondern nur wiedergeben kann, was an Erinnerungen an sie herangetragen wurde, hinterlässt den Eindruck, als würde es ein anderes Guben geben, „wo mal son Ausländer durch ne Scheibe gesprungen ist“. Von Erinnerungskultur scheint in Guben keine Spur zu sein.

 

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=718 http://www.re-guben.de/?p=718#comments Thu, 12 Dec 2013 22:10:58 +0000 http://www.re-guben.de/?p=718 Am 13. Februar 2014 werden 15 Jahre seit dem gewaltsamen Tod Farid Guendouls vergangen sein. 15 Jahre, in denen man hätte vergessen können, was in jener Nacht geschah. Oder sogar 15 Jahre, in dessen Zuge man vergessen sollte, was in jener Nacht geschah. Dass diese Paraphrase so oder so ähnlich durchaus die Meinung eines gewissen Teils der Gubener Bevölkerung wiederspiegelt, verwundert leider nicht. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen eine solche Schlussfolgerung nahe liegen. Ob zum zehnten oder fünften Todestag Farid Guendouls, der Ruf, „die Sache“ endlich ruhen zu lassen und als „tragisches Unglück“ abzuhaken war stets zu vernehmen. Selbst einige Tage bzw. Wochen nach der Tat erschien nicht wenigen die Berichterstattung als „übertrieben“ oder gar „unnötig“. Schließlich war es ja nur eine Nacht, eine Tat, ein Toter, der ja nicht stellvertretend für die Stadt Guben und deren Bevölkerung stehen darf und kann.

Warum jetzt? – Damit auch knapp 15 Jahre später diesen Meinungen etwas entgegengesetzt wird; damit auch 15 Jahre später rassistische Morde nicht in Vergessenheit geraten und die Notwendigkeit eines aktiven Gedenkens aufgezeigt wird. Und das auch über die Stadtgrenzen Gubens hinaus. Denn geändert hat sich seit dem Tod Farid Guendouls nichts. Mindestens 80 Menschen in der Bundesrepublik wurden nach Angaben von CURA seitdem von (Neo-)Nazis ermordet, allein zehn davon im Land Brandenburg. Das Erinnern und Mahnen vor menschenverachtender Ideologie und ihren tödlichen Folgen ist stets notwendig – auch 15 Jahre später!

 

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=716 http://www.re-guben.de/?p=716#comments Thu, 12 Dec 2013 22:10:32 +0000 http://www.re-guben.de/?p=716 Braucht Erinnerung einen bestimmten Zeitpunkt? Es scheint so, bedenkt man die öffentlichen Rituale an Gedenktagen. Die Auswahl so eines Tages ist Teil des Erinnerungsprozesses. Zu jedem Jahrestag oder – mit mehr zeitlichem Abstand zum Geschehen – in längeren Zyklen von 5 oder 10 oder 25 Jahren steht die Entscheidung: wir erinnern. Zugleich ordnet sie das Vergessen – die Vergangenheit ist nicht an jedem Tag des Jahres präsent; sie bestimmt nicht das Alltagsleben. Ein Gedenktag macht deutlich, dass das, woran erinnert wird, zurück in der Zeit liegt und abgeschlossen ist.

Neben einer solchen bewussten Auswahl hat Erinnerung immer einen Zeitpunkt, bestimmt durch das Jetzt, die vergangene Zeit und die Veränderungen darin. Wer kann sich noch erinnern und wer will öffentlich erinnern? Wie hat sich die Erinnerung selbst entwickelt? Wie ist das gegenwärtige Verhältnis einer Gesellschaft, eines Gemeinwesens oder einer Gruppe von Menschen zu dem Geschehen in der Vergangenheit? Welche Bedeutung wird ihm heute beigemessen? Von diesen Bedingungen hängt auch die Entscheidung für oder gegen ein öffenliches Erinnern ab. (Die ritualisierten Gedenktage sind so gesehen keine Selbstverständlichkeit.)

RE:GUBEN hat sich meines Erachtens für ein Dazwischen entschieden. Der 13. Februar 2013 und der 13. Februar 2014 markieren Anfang und Ende des Projekts. Es ist bewusst der Todestag Farid Guendouls gewählt, aber über ein Ritual hinaus soll auch daran erinnert werden, was sich aus dem Vergangenen entwickelt hat und was heute fortwirkt.

Warum jetzt? Als Grund dafür, dass es genau dieses Jahr ist, mag vielleicht erscheinen, dass die 15. Wiederkehr des Todestages eine besondere Zeitmarke in Guben darstellt. Vielmehr ist allerdings absehbar, dass der 13. Februar 2014 für eine Mehrheit genau das nicht sein wird. Freunde und Familie des Toten sind aus Guben weggegangen; ebenso viele, die in Folge der „Hetzjagd“ 1999 versuchten, sich in der Stadt zu engagieren. Kommunale Politiker haben es zum überwiegenden Teil geschafft, sich knapp 15 Jahre einer öffentlichen Erinnerung zu verweigern. Der eine oder andere hat sie öffentlich torpediert. Für viele Leute, die heute in Guben leben, liegen die damaligen Ereignisse weit entfernt, zurückgelassen. Heutige Jugendliche konnten sie selbst gar nicht bewusst wahrnehmen. Tradiert wurden allenfalls die noch immer abrufbaren Meinungen.

 

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„Die Nacht ist immer noch präsent“ http://www.re-guben.de/?p=699 http://www.re-guben.de/?p=699#comments Thu, 12 Dec 2013 21:28:28 +0000 http://www.re-guben.de/?p=699
Lukas A.* war seit Ende der 1980er Jahre in der Gubener Antifa aktiv.
Mittlerweile hat er die Stadt verlassen. Im Interview mit Friedrich Burschel spricht er über die Anfänge der Neonazi-Szene in Guben, den 13. Februar 1999 und das Gedenken an die Tat.

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* Name von der Redaktion geändert

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Video: Die Diskussion um die Erinnerung http://www.re-guben.de/?p=707 http://www.re-guben.de/?p=707#comments Thu, 12 Dec 2013 21:28:02 +0000 http://www.re-guben.de/?p=707 Der TV- und Videojournalist Ben Arnold war für die Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg in Guben unterwegs und hat Menschen auf der Straße nach ihren Eindrücken und Vorstellungen von der Stadt gefragt. Ein Thema waren auch die Ereignisse vom Februar 1999, die Erinnerung an Farid Guendoul und die Wahrnehmung von Rechtsextremismus. Daraus ein entstand ein kurzer Videoclip, der die verschiedenen Positionen in Guben wiedergibt und den wir hier zeigen können. Der Film entstand im Projekt “Mosaik – Märkische Orte für soziale, arbeitsmarktpolitische und interkulturelle Kompetenz” der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.

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#BTW13 in Guben: Zugewinne für NPD, aber nicht mehr Prozente http://www.re-guben.de/?p=687 http://www.re-guben.de/?p=687#comments Sun, 22 Sep 2013 20:53:54 +0000 http://www.re-guben.de/?p=687 Die Stadt Guben stellt die (vorläufigen) Endergebnisse für Erst- und Zweitstimmen zur Bundestagswahl, aufgeschlüsselt nach Wahllokalen zur Verfügung, und so haben wir nachgesehen, wie die NPD abgeschnitten hat. Eine ausführliche Analyse der vergangenen Wahlen haben wir bereits veröffentlicht. Einige Thesen daraus bestätigen sich.

Zur Bundestagswahl 2013 erzielte die NPD in Guben mit ihrem Kreisvorsitzenden Ronny Zasowk 4,7% der Erstimmen sowie 3,9% der Zweitstimmen – 2009 waren es 4,7% und 4,2%. Dabei gewann sie in absoluten Zahlen Stimmen hinzu. Für den Direktkandidaten votierten 451 Wähler (2009: 402), 379 Wähler gaben ihre Zweitstimme (2009: 357). Aufgrund einer insgesamt höheren Wahlbeteiligung wirken sich diese Zuwächse nicht in einer prozentualen Steigerung aus.

Ein Grund für den geringeren Anstieg bei den NPD-Zweitstimmen könnte im Abschneiden der Alternative für Deutschland (6,9%) liegen. Wahlanalysen zufolge hat die AfD Wähler aus allen Parteilagern angesprochen. Mit der NPD stand sie allerdings in direkter Konkurrenz in Bezug auf eine Anti-Euro-Politik.

Generell lässt sich festhalten, dass die NPD in Guben eine stabile Wählerschaft hat und sie in der Lage war, diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszubauen – nicht ein paar „fehlgeleitete Jugendliche“, sondern Wähler, die sich mit der Partei identifizieren können. Daneben erscheint es vielmehr so, dass die NPD es kaum geschafft hat, zusätzlich eine „Protestwähler“-Klientel für sich zu mobilisieren.

Wie in der Vergangenheit sind die NPD-Ergebnisse in den einzelnen Wahllokalen der Stadt unterschiedlich ausgefallen. Die Spitze bildete wie gehabt das Wahllokal im „Kulturzentrum Obersprucke“, wo die NPD 8,9% Erst- und 6,7% Zweitstimmen holte. Im Vergleich mit dem Landkreis Spree-Neiße ist das Gubener NPD-Ergebnis mittlerweile im Durchschnitt. In einigen Orten im Kreis konnte die NPD im Vergleich zu früheren Wahlen ihre Ergebnisse stärker ausbauen. Im Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße insgesamt sind die Gubener Zahlen über dem Durchschnitt.

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