Warum gedenken?

veröffentlicht von Michael Bergmann

In Städten wie Guben, Hoyerswerda oder Mügeln sind diejenigen, die die Stadt als Opfer einer Medienkampagne sehen, nicht rar. Das was vorgefallen ist, gehöre der Vergangenheit an. Dies ist die Botschaft an diesen Orten. Spätestens einen Tag nach der Tat. Heute sei alles anders, fügt man dem hinzu. Das könne hier nicht mehr geschehen. Und überhaupt sei ja das, was geschehen ist, so falsch dargestellt worden. Denn eigentlich sei man „weltoffen und tolerant“. Und „die Medien“ hätten übertrieben und gelogen. Darüber ist man sich einig. Ohne jemals öffentlich zu benennen, was eigentlich konkret gemeint ist mit diesem damals Geschehenen, entsteht ein nebulöser Mythos, der in der Stadt von Generation zu Generation weitergegeben wird und über dessen Details man sich einig ist innerhalb der Gemeinschaft. Mit der eigentlichen Tat hat das alles schon längst nichts mehr zu tun.

Ein Gedenken an Farid Guendoul und an den rassistischen Akt, der zu seinem Tod führte, wird diese Mechanismen nicht aufbrechen. Das Gedenken kann nichts rückgängig machen. Und wie man es auch dreht und wendet: Sein Tod wird so wie alle rassistischen Gewalttaten umsonst gewesen sein. Daran wird man mit einem Gedenken nichts ändern. Noch nicht mal bessere Menschen würde es aus den Gubener_innen machen, wenn sie an die tödliche rassistische Gewalt in ihrer Stadt erinnern und diese auch als solche benennen. Diejenigen, die leugnen, herunterspielen oder wegsehen werden immer in der Mehrheit bleiben. Das sind die, die übrig bleiben, wenn der Rest abgewandert ist. Das Nutzlose wird siegen. Das Nutzlose bleibt liegen. Warum also gedenken?

Der Philosoph Leo Baeck setzte einer Welt, in der das Schlechte sich weitet, ein gewaltiges ‚Und dennoch’ entgegen. Es geht nicht darum, zu gewinnen oder die Welt zu verändern, bei diesem ‚Und dennoch’, sondern darum, dass man die Dinge tut, die richtig sind. Ich brauche keine moralische Urteilskompetenz und keine weiteren Begründungen dafür. Am 13. Februar in Guben daran zu erinnern, dass Rassismus tödlich ist und dass Farid Guendoul an dem Ort, an welchem er Schutz suchte, sterben musste, halte ich für das Richtige.

 

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