Kategorie-Archiv: Dokumentation

Jurist/innen und Journalisten im Interview zum Fall Guben

veröffentlicht von Redaktion

Unsere Dokumentation Rassistische Gewalt vor Gericht – Gespräche über den Fall Guben behandelt das Gerichtsverfahren, in dem das Landgericht Cottbus vom 3. Juni 1999 bis zum 13. November 2000 gegen elf Jugendliche und Heranwachsende aus Guben verhandelte. Sie hatten am frühen Morgen des 13. Februar 1999 Farid Guendoul, Khaled B. und Issaka K. verfolgt und angegriffen. Beim Versuch zu fliehen erlitt Farid Guendoul eine Verletzung der Beinarterie und verblutete. Die Dokumentation umfasst Interviews mit vier Jurist/innen, die als Richter, Verteidiger oder Nebenklagevertreterinnen am Verfahren beteiligt waren, sowie mit zwei Journalisten, die es kontinuierlich beobachteten.

Das Gerichtsverfahren war seinerzeit der Ort, an dem die Tat im Detail rekonstruiert wurde. Minutiös wurden die Abläufe der Tatnacht, die individuellen Beteiligungen der Täter und ihre Verantwortlichkeit dargestellt. Diese Aufklärung wurde in der lokalen Gubener Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Das Verfahren ist insofern als ein Gegenpol zu lokalen Diskursen zu sehen, in denen die Täter von ihrer Verantwortung „freigesprochen“ werden. Man kann den „Fall Guben“ über den konkreten Prozess und die Urteile hinaus als Beispiel dafür verstehen, welche Möglichkeiten ein Gericht im Umgang mit rassistisch motivierten Taten hat und welche nicht, welche Wirkungen es erzielen kann, welche Erwartungen von außen herangetragen werden und welche Erwägungen die Wahrnehmung und das Handeln der Beteiligten prägen. Weiterlesen →

Noten des Hasses aus Guben – Der Fall des V-Manns Toni S.

veröffentlicht von Redaktion

Am Abend des 20. Juli 2002 lösten Beamte des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) ein Konzert von NS-Metal-Bands auf, das in Berlin-Marzahn stattfinden sollte. Sie nahmen drei der etwa hundert anwesenden Neonazis fest. Unter ihnen war der damals 27-jährige Toni S., über Jahre eine zentrale Figur der Szene in Cottbus und Guben. Der Zugriff war kein Zufall. Das LKA hatte gegen S. ermittelt und ihn überwacht, weil er in die Produktion der CD „Noten des Hasses“ des Musikprojekts White Aryan Rebels involviert war. Die Beamten gingen offenbar davon aus, dass an jenem Abend Pläne für eine zweite Auflage der konspirativ hergestellten CD besprochen werden sollten. In ihren Songs drohten die White Aryan Rebels Mord und Terror an.

Durch eine Abhörmaßnahme hatte das LKA auch erfahren, was Toni S. wenig später selbst eingestand: Er war V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes und fühlte sich dadurch in seinem Handeln gedeckt und bestärkt. Die Affäre wurde in den folgenden Monaten zu einem Skandal um die Unterstützung rechtsextremer Strukturen und Straftaten durch den Verfassungsschutz. An ihrem Ende erhielt S. eine Bewährungsstrafe. Ein Verfahren gegen den VS-Mann, der ihn „betreute“ und dem unter anderem Strafvereitelung vorgeworfen worden war, wurde 2005 wegen Geringfügigkeit eingestellt. Etliche Fragen blieben offen. Inzwischen kommen neue hinzu. Toni S. hatte auch Kontakte in das Umfeld der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Weiterlesen

Die Nacht des 12./13. Februar 1999 in Guben

veröffentlicht von Alexandra Klei

Beim folgenden Text handelt es sich um eine Zusammenfassung der Tatnacht auf der Grundlage einer Studie von Michaela Christ, deren ausführliche Darstellung als PDF verfügbar ist.

Am Abend des 12. Februar 1999, einem Freitag, besuchen die Asylbewerber Issaka K. (aus Sierra Leone) und Khaled B. mit ihrem Freund Farid Guendoul (beide aus Algerien) [1] die Diskothek ‚Dance-Club’ im Gubener Stadtteil Obersprucke. Am gleichen Abend treffen sich auch einige junge Männer in der Wohnung von Ronny P. in einem Hochhaus, welches sich unweit der Diskothek befindet. Sie trinken Bier, hören Musik, unter anderem der Gruppe „Landser”, einer Band, die bei rechtsgerichteten Männern überaus beliebt ist und schauen Videos. Der Film „Romper Stomper“ läuft; er erzählt die Geschichte einer Neonaziclique in Melbourne, die Migrant_innen jagt – und manchmal auch totschlägt. Im Laufe des Abends verlassen einige, darunter Alexander Bode, die Wohnung, um noch in eine Disko außerhalb Gubens zu fahren. Gegen 1 Uhr in der Nacht machen sich die anderen auf, um in die an der Bundesstraße gelegene Diskothek ‚Dance-Club’ zu gehen. Weiterlesen