RE:GUBEN » Past http://www.re-guben.de fragt nach den Folgen des Todes Farid Guendouls, der am 13. Februar 1999 auf der Flucht vor einer Gruppe Neonazis in Guben starb. Was geschah in jener Nacht? Wie wurde mit der Tat umgegangen? Wie kann Gedenken gestaltet werden? Wie reagieren Politik und Gesellschaft? Fri, 02 May 2014 16:27:31 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8 „Blühende Landschaften“ – Neonazi-Gewalt in Brandenburg 1989-1993 http://www.re-guben.de/?p=757 http://www.re-guben.de/?p=757#comments Tue, 11 Feb 2014 22:36:12 +0000 http://www.re-guben.de/?p=757 Wie war das – Anfang des 1990er Jahrzehnts in Ostdeutschland? Ein Staat brach zusammen und es taten sich für ein paar Monate unendliche Möglichkeiten auf. Die Reste des Staats wurden übernommen und es brach noch mehr zusammen: wirtschaftliche und soziale Strukturen, Existenzen. Deutschland wurde Fußballweltmeister und die D-Mark das gängige Zahlungsmittel. Und in all dem explodierte die Gewalt. Jeder Schlägertyp schor sich die Haare und kaufte sich eine grüne Bomberjacke. Das Deutschland auf ihren Aufnähern hatte die Grenzen von 1938. Westdeutsche Neonazis tingelten durchs Land und leisteten Aufbauarbeit. Ihre ostdeutschen Kameraden standen ihnen in nichts nach: „Deutschland, Deutschland!“ Politik, Polizei, Sozialarbeit und Medien versagten weitgehend. Vielmehr wurde die Einschränkung des Asylrechts Regierungsprogramm.

Als Orte, an denen Mobs aus Neonazis und „normalen“ Deutschen tagelang militant gegen Ausländer vorgingen, blieben Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in der Erinnerung haften. An ihnen wird heute die Situation Anfang der 1990er festgemacht. Aber was geschah abseits der Symbole? Wie war es in Guben? Dort schlossen sich Neonazis in der „Gubener Heimatfront“ zusammen, die bis zu 200 Leute mobilisieren konnte und berüchtigt für ihre Gewalttätigkeit war. Erinnert sich jemand an die Angriffe auf die sogenannten und nicht mehr benötigten „Vertragsarbeiter“? Und wie war das mit den Angriffen auf Asylbewerberheime in Cottbus, Lübbenau oder Schwarze Pumpe? Wer kann sich daran erinnern und wer will sich erinnern? Und was hat das alles mit heute zu tun?

Im Demokratischen JugendFORUM Brandenburg (DJB) – übrigens auch der Trägerverein von RE:GUBEN – hat sich eine Projektgruppe zusammengefunden, die solchen Fragen nachgeht. Mit umfangreichen Zeitungsrecherchen und Zeitzeugeninterviews hat sie begonnen, die Situation im Land Brandenburg zwischen 1989 und 1993 zu rekonstruieren. Eine Analyse und einen Teil der Dokumente macht der Verein nun in seinem Blog Blühende Landschaften online zugänglich. RE:GUBEN sprach darüber mit Daniela Guse und Susanne Lang vom DJB.

Was kann man online von euerm Projekt sehen?

DG: Grundsätzlich kann man sagen, dass wir Material zusammentragen. Wir haben in den vergangenen Monaten Interviews mit Zeitzeugen geführt, die die Entwicklung in Brandenburg Anfang der 90er miterlebt haben. Unser Ansatz war, etwas über Neonazi-Gewalt und rassistische Pogrome in der Zeit herauszufinden. Dazu haben wir Leute befragt, mit denen wir eine gemeinsame Sprache finden konnten. Diese Interviews machen wir zugänglich. Dazu haben wir einen Text erarbeitet, der verdeutlicht, wie die Situation von den Leuten wahrgenommen wird. Der Titel „Warnschüsse wären in diesem Fall gerechtfertigt gewesen“ ist aus einem Interview mit Frau Leichsenring, damals Polizeipräsidentin in Eberswalde, die darin über den Tod von Amadeu Antonio nachdenkt, wie die Situation in der Polizei und in der Stadt war, wie es dazu kommen konnte. Wir haben versucht, mit allen möglichen Akteuren zu reden, die im weitesten Sinn damit zu tun hatten, entweder auf so einer Ebene wie Frau Leichsenring oder dass sie betroffen waren oder aktiv wurden.

SL: Wir haben die Interviews ausgewertet und versucht, daraus Schlüsse zu ziehen. Die einzelnen Interviews sind darüber hinaus aber sehr reichhaltig und bieten Einblicke in die jeweilige Wahrnehmung der Zeit. Gerade aus den Anekdoten kann man die damalige Stimmung ablesen. Das ist viel umfangreicher als das, was wir in unserer Analyse zusammengestellt haben. Deshalb finden wir es wichtig, dass man die Original-Interviews einsehen kann.

DG: Noch nicht online ist unsere Zeitungsrecherche. Wir haben für den Zeitraum 1989 bis 1991, teilweise noch bis in das Jahr 1992 hinein, vier Zeitungen ausgewertet, die Märkische Volksstimme und den Neuen Tag und dann deren Nachfolger Märkische Allgemeine und Märkische Oderzeitung.

SL: Für das Erscheinungsgebiet dieser Zeitungen, also Nord-, West- und Ost-Brandenburg, haben wir nach allem gesucht, was zum Thema Pogrome, rassistische Stimmungen oder Bewertung von Neonazis, Neonazi-Organisierung erschienen war. Wir haben die Microfiche-Ausgaben der Zeitungen durchgesehen, die Artikel verschlagwortet und exzerpiert. Perspektivisch wollen wir auch dieses Archiv zugänglich machen. Dafür sind aber noch ein paar technische und rechtliche Fragen zu klären.

Wie seid ihr denn zu so einem Geschichts-Projekt gekommen?

SL: Inspiriert haben uns die Leute aus Hoyerswerda von pogrom91. Sie waren gewissermaßen Ideengeber. Zu dem Zeitpunkt, als wir mit dem Projekt begonnen haben, fing die NPD-Kampagne mit Demonstrationen vor Asylbewerberheimen oder möglichen Asylbewerberheimen an, in Mecklenburg-Vorpommern, letztes Jahr auch in Brandenburg oder in Hellersdorf. Wir haben uns gefragt, was die Ausgangsbedingungen für eine Resonanz in der Bevölkerung sind, was zum Beispiel eine ausländerfeindliche Stimmung ermöglicht.

DG: Wir haben auch festgestellt, dass ein Teil von uns wenig über die Zeit Anfang der 90er weiß, weil er zu jung dafür ist. Andere konnten sich nach der Zeit nicht mehr an alles genau erinnern. Das überlagert sich. Deshalb war es für uns interessant, sich die Ereignisse zu vergegenwärtigen, einerseits durch die Interviews mit Zeitzeugen und andererseits durch die Zeitungsrecherchen.

SL: Am Anfang dachten wir noch so: Wir machen ein paar Interviews und können dann sagen, wie es „wirklich“ war. Davon sind wir sehr schnell weggekommen, weil wir gemerkt haben, dass wir überhaupt erstmal anfangen müssen, die Situation damals zu begreifen. Und das heißt nicht, dass wir als Gruppe das verstehen, sondern dass es eine gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber geben müsste. Die hat es noch nie gegeben. Bei den Gesprächen hatten wir das Gefühl, die 20 Jahre sind gerade genug zeitlicher Abstand, um wenigstens anzufangen nachzudenken. Damals gingen die Veränderungen so schnell und waren so existenziell, dass man keine Möglichkeiten hatte, darüber zu reflektieren. Jetzt kann man anfangen über die 90er Jahre zu reden und auch persönlich zu überlegen, warum habe ich mich so verhalten, was waren meine Einflüsse… Gleichzeitig haben wir gemerkt, dass viel verschütt ist, weil die Ereignisse 1989/90 und danach in einem unglaublichen Tempo abliefen. Man muss sich vorstellen, in welcher Geschwindigkeit da der neue deutsche Staat geschaffen wurde.

Wir wollen mit dem Projekt eine Perspektive stärken, die aus unserer Sicht etwas untergeht. Man ist heute schnell dabei zu sagen, dass es in den 90ern schlimm war, aber inzwischen alles viel besser ist. Das ist auch ein logischer Schluss – die Arbeit der Zivilgesellschaft in den letzten 20 Jahren muss ja irgendwas gebracht haben. Aber das wollen wir hinterfragen: Wie war denn die Situation damals? Kann man von besser und schlechter sprechen? Was sind die Veränderungen? Wir finden es dabei gar nicht so wichtig, was wir uns denken. Interessanter wäre, wenn mehr Leute darüber nachdenken, was für eine Zeit das war, wie die Situation zustande kam, was die Bedingungen waren.

Ihr habt euch aber natürlich auch selber Gedanken gemacht. Wie ist denn eure Einschätzung? Gibt es eine Antwort auf die Frage, wie das alles zustande kam?

SL: Ich möchte darauf erstmal gar keine Antwort geben, weil die wesentliche Erkenntnis aus dem Projekt für uns ist, dass wir zum einen einen breiten Diskurs und zum anderen einen offenen Diskurs brauchen. Wir, das heißt nicht nur wir als Gruppe, sondern Leute, die die Zeit erlebt haben, fangen gerade noch einmal damit an, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Daneben haben wir aber auch schon seit Jahren Spezialdiskurse von Sozialwissenschaftlern, Journalisten oder linken Aktivisten, die alle ihre These und ihr Erklärungsmodell haben, die DDR, die Töpfchen im Kindergarten oder Deutschland an sich. Jede These ist für sich so besprochen, durchgekämpft und verteidigt, als wäre sie die einzig richtige. Es ist auch eine sehr emotional geführte Debatte.

Es gab und gibt darin auch einen Ost-West-Konflikt. Zugespitzt gesagt, da die Zivilgesellschafts- und Polit-Profis, die dem Osten Demokratie erklären, und dort spezifische Identitäten und die Erfahrung von Deligitimation. Ich glaube, viele Leute nehmen das als „Minenfeld“ wahr. Uns ist in den Interviews aufgefallen, dass die Leute, die anfangen, darüber zu reden, was passiert ist, sehr vorsichtig sind mit der Wiedergabe von Einschätzungen, Vermutungen, Gefühlen und Thesen, warum es dazu gekommen ist. Einerseits ist völlig klar: Wenn man über die Pogrome reden will, muss man auch über die wirtschaftlichen, sozialen, politischen Veränderungen und ihre Wirkungen reden, also über diese „Wendewirren“, die Brüche in allen Lebensbereichen mit ihren zum Teil brutalen Folgen. Andererseits ist nicht nur bei uns das Gefühl da, dass einem dann Vorwürfe gemacht würden, dass man die DDR verteidigen würde oder alles kleinredet oder Nazis in Schutz nimmt oder auch ein Rassist wäre oder oder. Da spielen jede Menge Reflexe, Vorurteile und Verteidigungshaltungen mit hinein.

Vielleicht klingt das hier auch etwas identitär. Aber für uns geht es um eine Auseinandersetzung, um eine offene Diskussion, darum sich zu emanzipieren und selbst einen Umgang zu finden. Natürlich kann an allen Thesen etwas dran sein. Natürlich hatte es etwas mit der DDR-Gesellschaft zu tun, dass es rassistische Gewalt war, aber genauso hatte es was mit der „Integrationssituation“ der DDR in die BRD zu tun. Uns geht es darum, zu verstehen und vielleicht eine weitere Debatte anzustoßen. Wir müssen anfangen, darüber zu reden, was damals passiert ist, nicht nur über die Pogrome, sondern über alles.

Daran hängen dann auch Fragen der eigenen politischen Sozialisation: Warum haben wir eine unabhängige, nicht hierarchische Struktur wie das DJB aufgebaut, warum sind wir nicht in einen großen Verband oder eine Partei eingetreten? Warum haben wir uns damals dafür entschieden, Jugendkulturarbeit zu machen? Was waren die Einflüsse, was waren die Referenzpunkte? Man lernt daraus auch für heute. Die Auseinandersetzungen, die vor uns liegen, um Neonazis und Demokratie zum Beispiel, brauchen das Verständnis davon, was damals passiert ist. Vielleicht kann man sich so auch von Perspektiven lösen, in die man so hineingewachsen ist.

Macht ihr das Projekt weiter?

DG: Wir haben schon überlegt, das Projekt auszubauen, zum Beispiel noch mehr Interviews zu führen. Die „Datenbasis“ ist natürlich noch erweiterbar. Ich glaube, dass es schon ein Schritt ist, überhaupt das Material zu sammeln und zur Verfügung zu stellen für alle, die sich damit beschäftigen wollen und darauf für ihre Fragestellungen zugreifen wollen. Es gibt die Option, daraus andere Projekte zu entwickeln. Derzeit diskutieren wir zum Beispiel, mehr Video-Interviews zu führen. Aus dem, was man in der Arbeit erfährt, können immer wieder neue Ideen entstehen. In den Interviews haben wir bemerkt und auch die Interviewten selbst festgestellt, dass sie noch gar nicht so viel über das Thema nachgedacht haben. Wenn man jetzt mit denselben Personen nochmal Interviews machen würde, würde man sicher noch weitere Antworten bekommen.

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Jurist/innen und Journalisten im Interview zum Fall Guben http://www.re-guben.de/?p=749 http://www.re-guben.de/?p=749#comments Fri, 03 Jan 2014 10:02:19 +0000 http://www.re-guben.de/?p=749 Unsere Dokumentation Rassistische Gewalt vor Gericht – Gespräche über den Fall Guben behandelt das Gerichtsverfahren, in dem das Landgericht Cottbus vom 3. Juni 1999 bis zum 13. November 2000 gegen elf Jugendliche und Heranwachsende aus Guben verhandelte. Sie hatten am frühen Morgen des 13. Februar 1999 Farid Guendoul, Khaled B. und Issaka K. verfolgt und angegriffen. Beim Versuch zu fliehen erlitt Farid Guendoul eine Verletzung der Beinarterie und verblutete. Die Dokumentation umfasst Interviews mit vier Jurist/innen, die als Richter, Verteidiger oder Nebenklagevertreterinnen am Verfahren beteiligt waren, sowie mit zwei Journalisten, die es kontinuierlich beobachteten.

Das Gerichtsverfahren war seinerzeit der Ort, an dem die Tat im Detail rekonstruiert wurde. Minutiös wurden die Abläufe der Tatnacht, die individuellen Beteiligungen der Täter und ihre Verantwortlichkeit dargestellt. Diese Aufklärung wurde in der lokalen Gubener Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Das Verfahren ist insofern als ein Gegenpol zu lokalen Diskursen zu sehen, in denen die Täter von ihrer Verantwortung „freigesprochen“ werden. Man kann den „Fall Guben“ über den konkreten Prozess und die Urteile hinaus als Beispiel dafür verstehen, welche Möglichkeiten ein Gericht im Umgang mit rassistisch motivierten Taten hat und welche nicht, welche Wirkungen es erzielen kann, welche Erwartungen von außen herangetragen werden und welche Erwägungen die Wahrnehmung und das Handeln der Beteiligten prägen. Weiterlesen →

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„Die Nacht ist immer noch präsent“ http://www.re-guben.de/?p=699 http://www.re-guben.de/?p=699#comments Thu, 12 Dec 2013 21:28:28 +0000 http://www.re-guben.de/?p=699
Lukas A.* war seit Ende der 1980er Jahre in der Gubener Antifa aktiv.
Mittlerweile hat er die Stadt verlassen. Im Interview mit Friedrich Burschel spricht er über die Anfänge der Neonazi-Szene in Guben, den 13. Februar 1999 und das Gedenken an die Tat.

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* Name von der Redaktion geändert

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Wahlergebnisse der NPD in Guben http://www.re-guben.de/?p=677 http://www.re-guben.de/?p=677#comments Fri, 30 Aug 2013 12:45:39 +0000 http://www.re-guben.de/?p=677 Wer jetzt die Ergebnisse der Bundestagswahl erwartet, wird enttäuscht werden: Wir können nicht in die Zukunft sehen – hier heißt es: Vor der Wahl ist nach der Wahl. Es geht um die Frage, wie die NPD bei den letzten Wahlen, den Kommunalwahlen 2008, der Landtagswahl 2009 sowie der Bundestagswahl 2009, in Guben abgeschnitten hat. Bei den Kommunalwahlen erlangte die NPD zwei Mandate für den Kreistag Spree-Neiße und ein Mandat für die Gubener Stadtverordnetenversammlung (SVV).

Die prozentualen Ergebnisse waren:

  • Wahl zur SVV Guben 2008: 4,3%,
  • Wahl zum Kreistag Spree-Neiße 2008: 4,8%,
  • Wahl zum Landtag 2009: 4,1% nach Erststimmen, 4,0% nach Zweitstimmen,
  • Wahl zum Bundestag 2009: 4,7% nach Erststimmen, 4,2% nach Zweitstimmen.

Bei der Kreistagswahl erzielte die NPD damit in Guben ein leicht überdurchschnittliches Ergebnis im Vergleich mit dem gesamten Landkreis (NPD 4,0%). Das Ergebnis der Landtagswahl lag in Guben deutlich über dem Landesdurchschnitt (NPD Zweitstimmen Brandenburg 2,6%, Spree-Neiße 3,6%), ebenso bei der Bundestagswahl. Die Wahlbeteiligung in Guben lag für die SVV-Wahl bei 50,3% und für die Kreistagswahl bei 42,9%.

Bei der Landstagswahl entschieden sich damit in Guben 340 (Erststimmen) bzw. 349 (Zweitstimmen) Wähler für die NPD, bei der Bundestagswahl waren es 402 (Erststimmen) bzw. 357 (Zweitstimmen). Für die Kommunalwahlen lässt sich das nicht mit Sicherheit bestimmen, da dort jede Person jeweils drei Stimmen hatte, die einem Kandidaten gegeben oder auf mehrere Kandidaten verteilt werden konnten. Bei der SVV-Wahl bedeuteten die 4,3% 1094 Stimmen, bei der Kreistagswahl resultierten die 4,8% aus 1050 Stimmen. Realistisch erscheint, dass die Zahl der NPD-Wähler bei den Kommunalwahlen ähnlich zur Landtags- und zur Bundestagswahl war und im Bereich von mindestens 350 bis etwa 400 lag. Zumindest für die SVV-Wahl ergibt sich rechnerisch, dass die NPD nicht in allen Fällen drei Stimmen ihrer Wähler erhalten hat.

Für die Wahl zur SVV liegen die Ergebnisse der einzelnen Gubener Wahllokale vor, so dass man feststellen kann, dass die NPD nicht in allen Stadtteilen gleichermaßen gewählt wurde. Es waren im Wesentlichen die Wohnkomplexe (WK) Obersprucke und Reichenbacher Berg, zusammen der bevölkerungsreichste und zugleich problembeladenste Stadtteil, in denen die NPD überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte, in einem Wahllokal in der Obersprucke waren es 8,5%. Auch ein Wahllokal in der Altstadt verzeichnete einen überdurchschnittlichen Wert. Im WK I lagen die Ergebnisse meist unter der Durchschnittszahl der Stadt. Auffällig war, dass die NPD in den durchaus noch dörflich geprägten Ortsteilen Kaltenborn (1,5%) und Bresinchen (1,7%) schlecht abschnitt, ebenso bei der Briefwahl (2,2%).

Für einen regionalen Vergleich bieten sich zum Beispiel die NPD-Ergebnisse der Spree-Neiße-Kreistagswahl in den Städten Guben, Spremberg und Forst an. Ihre Einwohnerzahlen bewegen sich jeweils an der Grenze von Klein- und Mittelstadt. Zusammen lebt in ihnen die Hälfte der Wahlberechtigten im Landkreis Spree-Neiße. In Guben erzielte die NPD bei der Kreistagswahl wie schon dargestellt 4,8% (1050 Stimmen), in Spremberg waren es 4,5% (1220 Stimmen) und in Forst 3,4% (636 Stimmen). Relevant werden diese Zahlen in einem Vergleich der Städte. Ohne das hier umfangreich darzustellen, lässt sich doch festhalten, dass die Stadt Spremberg zum Beispiel mit ihren Energieindustrieansiedlungen wirtschaftlich besser aufgestellt ist als Guben, die NPD dort aber ein ähnliches Ergebnis erreichte. In Forst, in ähnlicher Weise wie Guben von Deindustrialisierung, Abwanderung und anderen Problemen betroffen, erhielt die NPD weniger Stimmen. Eine mögliche Erklärung – die zu untersuchen wäre – liegt in Aspekten der politischen Kultur in den Städten, welche politischen Traditionen eine Stadt hat, wie sie zum Beispiel Jugendarbeit gestaltet und letztlich wie sie mit der NPD und rechtsextremen Entwicklungen umgeht. Festzuhalten ist aber auch, dass sich in Forst mit einer Beteiligung an der Kreistagswahl von 36% deutlicher Zeichen einer generellen politischen Desintegration zeigten. (Der Vergleich der Wahlbeteiligungen in den Städten zeigt übrigens, dass nicht allgemein gelten kann, dass die NPD bei höherer Wahlbeteiligung schlechter abschneidet.)

Interessant ist zuletzt natürlich noch die Frage, in welchen sozialen Gruppen die NPD in Guben Anklang findet. Weil dazu für die Stadt keine statistischen Angaben vorliegen, kann es dazu keine genaue Antwort geben. Für die Landtagswahl 2009 existiert immerhin eine repräsentative Erhebung der NPD-Ergebnisse in Alters- und Geschlechtergruppen bezogen auf das gesamte Land Brandenburg (die Daten basieren auf einer Umfrage; daher die minimale Abweichung zum reellen Endergebnis).

LTW BB 2009

Auch für die Bundestagswahl 2009 gibt es eine solche Erhebung für Brandenburg mit nur minimal unterschiedlichen Prozentangaben, der gleichen Verteilung und derselben Grundaussage. Die Statistik sagt, dass die NPD bei Männern höhere Ergebisse erzielt als bei Frauen und dass die Partei in jüngeren Altersgruppen besser abschneidet – zusammengefasst: Die NPD kommt besonders bei jüngeren Männern an. Das könnte auch in Guben so zutreffen. Dieser Versuch, sich über die Brandenburg-Statistik an die Situation in der Stadt anzunähern, wirft allerdings weitere Fragen auf, zum einen weil das Wahlergebnis der NPD in Guben höher war als im Landesdurchschnitt, zum anderen weil auch die Sozialstruktur Gubens vom Landesdurchschnitt abweicht.

Legt man die statistische Verteilung in den Alters- und Geschlechtergruppen zugrunde und nimmt man an, dass die Ergebnisse in Guben in allen Gruppen gleichermaßen höher waren, kommt man zu dem Schluss, dass im Durchschnitt der Stadt deutlich über 10% der 18- bis 35-jährigen Männer NPD gewählt haben müssten. Zieht man dazu die detaillierten Ergebnisse der SVV-Wahl heran, gelangt man zu der Überlegung, dass – insbesondere in dieser Gruppe – die NPD in einzelnen Quartieren (bis zu 8,5% im Schnitt für alle Alter und Geschlechter) noch einmal höhere Zustimmung erhalten haben müsste.

Guben unterscheidet sich aber vom Land Brandenburg insgesamt darin, dass der Altersdurchschnitt der Einwohner, besonders in der Obersprucke, höher ist. Wo es weniger junge Leute gibt, ist rechnerisch betrachtet auch ihr Einfluss auf das Gesamtwahlergebnis geringer. Das heißt, dass die Proportionen der Brandenburg-Statistik zu Alters- und Geschlechtergruppen nicht einfach übertragbar sind und sich die Verteilung in den einzelnen Gruppe in Guben unterscheidet. Es liegt der Schluss nahe, dass es in Guben Alters- und Geschlechtergruppen gibt, in denen die NPD Ergebnisse erzielt, die deutlich nach oben vom Brandenburg-Durchschnitt abweichen.

Zusammengefasst lässt sich also, wenig überraschend, sagen: Die NPD wurde in Guben gewählt. Die Ergebnisse für die Partei bei den letzten Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen lagen in der Stadt zwischen 4% und knapp 5%. Die Zahlen waren ähnlich zu denen in einigen anderen Gemeinden, lagen aber auch leicht bis deutlich über regionalen und überregionalen Durchschnittswerten. Die höchsten Stimmanteile holte die NPD in Guben, etwas klischeehaft, in zwei Plattenbausiedlungen der 60er, 70er und 80er Jahre. Dass aber nicht nur soziale Problemlagen als Erklärung herangezogen werden sollten, sondern zum Beispiel auch Aspekte der politischen Kultur, macht der Vergleich mit anderen Städten in der Region deutlich. In absoluten Zahlen hat die NPD in Guben jeweils ca. 350 bis 400 Wähler mobilisieren können. Ob das viele oder wenige sind, liegt im Auge des Betrachters; in Guben waren es eben zwischen 4% und 5% der Wähler. Die gelegentliche Behauptung, dass es sich um ein paar „verirrte Jugendliche“ handelte, ist – auch angesichts der Zahl – eine realitätsferne Legende. Überhaupt sprechen einige Wahluntersuchungen dafür, dass die NPD generell weniger „Protestwähler“ anspricht, sondern über eine relativ feste Stammwählerschaft verfügt. Die ähnlichen Zahlen der verschiedenen Wahlen in Guben, auch wenn sie zeitlich nah beieinander lagen, scheinen diese Tendenz zu bestätigen. Das heißt, in Guben haben sich regelmäßig 350 bis 400 Wähler für eine Partei entschieden, die offen völkisch und ausländerfeindlich auftritt und deren lokale Akteure zum Teil in Verbindung zu Gewaltstraftaten und Propagandadelikten gebracht wurden. Wie sich die Gruppe dieser Wähler zusammensetzt, lässt sich nicht sicher bestimmen. Die rechnerischen Überlegungen weisen aber darauf hin, dass man der Frage nachgehen müsste, welche Wahlergebnisse die NPD zum Beispiel bei jüngeren Männern in der Obersprucke erzielte.

Über ihre Wähler könnte man zudem etwas über die politische Bedeutung der NPD erfahren. Drei Kommunalmandate sind das eine. Auch wenn die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten gering und die Fähigkeiten der Abgeordneten teils recht limitiert sind, tragen sie zur Stabilisierung der NPD-Arbeit in der Region bei. Der andere und vielleicht bedeutendere Punkt ist, wie sich 350 bis 400 NPD-Wähler abseits der Wahlen im Alltagsleben einer Stadt bemerkbar machen.

Wie die Ergebnisse der nächsten Bundestagswahl in Guben aussehen, wird der 22. September zeigen. Im Vergleich zu früheren Wahlergebnissen könnten einige Faktoren Einfluss haben, etwa die Mobilisierungsfähigkeit der NPD, politische Konkurrenten, aktuelle Stimmungslagen oder soziale und politische Entwicklungen in Guben in den letzten Jahren. Dass die NPD nicht in den Bundestag einzieht, gilt als recht wahrscheinlich. Am Ergebnis in Guben werden sich zumindest Thesen überprüfen lassen. Es könnte auch eine Tendenz für die Kommunalwahlen und die Landtagswahl 2014 aufzeigen. Der gegenwärtige regionale Wahlkampf der NPD zielt jedenfalls jetzt schon auf diese Termine.

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Aus dem Archiv: „Es sind eben die, die den Stress machen …“ – Teil 2 http://www.re-guben.de/?p=647 http://www.re-guben.de/?p=647#comments Sun, 25 Aug 2013 08:57:45 +0000 http://www.re-guben.de/?p=647 Nachdem es in Teil 1 des Interviews mit jugendlichen Skatern in Guben um ihren Alltag und ihren Umgang mit rechter Gewalt ging, dreht sich der folgende zweite Teil um die Reaktionen auf den Tod Farid Guendouls in der Zeit 1999/2000. Das Interview erschien zuerst im Buch Nur ein Toter mehr…

Wie war es, als letztes Jahr der Algerier Farid Guendoul starb? Konntet ihr mit euren Eltern darüber reden? Wie war es in der Schule, wie wurde damit umgegangen?

Matthias: In meiner Familie konnte ich darüber reden, mit meiner Mutter, die ist PDS-engagiert, mein Vater auch, da ging es so. Aber in der Schule wurde erst einmal drüber geschwiegen, da kam nichts von Seiten der Lehrer. Von den Schüler kamen ab und zu nur so dumme Sprüche: „… ist der doof, springt gegen die Scheibe.“ Unser LER-Lehrer hat dann das Thema angesprochen, nach Meinungen gefragt. Da ging es in der Klasse richtig rum: „Was hat der denn um diese Uhrzeit noch auf der Straße zu suchen … Springt da durch die Scheibe, warum klinkt er nicht und macht die Tür auf …“ Solche Sprüche kamen. Da war ich dann völlig allein in der Klasse. Danach haben es auch die anderen Lehrer einfach sein lassen, sogar die Politiklehrer sind nicht darauf eingegangen. Sie haben ihren Stoff durchgezogen, als ob nichts gewesen wäre. Das ist schon Kacke, weil die Lehrer meines Erachtens die Pflicht haben, wenn etwas aktuell ist, auch darauf einzugehen. Das ist ja nicht alltäglich, dass in Guben ein Asylbewerber zu Tode gehetzt wird, und dass dann gar kein Lehrer was macht, war schon erschreckend. Wenn der Grundtenor in den Klassen überall so ist wie in meiner, ist das schon ganz schön schlimm.

Thomas: Bei mir war es auch so: „Wie kann man nur so bescheuert sein und durch eine Scheibe springen … Der soll die Faschos ja auch dumm angemacht haben … Der ist doch selber dran schuld, er hätte doch die Tür aufmachen sollen …“ Das haben sie alle gesagt. Manche haben auch gesagt, wenn so etwas noch mal passieren würde, dann würden sie auch mitmachen.

Ali: Ich war zu der Zeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten, da stand es sogar in den arabischen Zeitungen, mit Matthias’ Bruder auf dem Titelbild. Ein bisschen arabisch kann ich ja noch lesen. Und als ich das gelesen hatte, hab ich erst mal meinen Mund nicht zugekriegt. Guben? Da habe ich gezweifelt: Vielleicht habe ich falsch gelesen. Dann hab ich Verwandte gefragt, wie es heißt, und dann dachte ich: „Oh, der sieht ja Matthias irgendwie ein bisschen ähnlich, sieht aus wie Matthias’ Bruder.“ Und dann: „Das kann ja wohl nicht sein.“ Im Nachhinein hab ich dann erfahren, dass eine Demonstration war, eine spontane Demo. Und natürlich hat man sich dann auch ein bisschen stark gefühlt. Es war auch Gesprächsthema Nummer eins.

Matthias: Bei der Demo wurde das Auto von Matthias M. leicht beschädigt. Danach war der Grundtenor so: „Ihr seid doch alle doof und randaliert da noch, die armen Rechten …“ So auf die Art und Weise: „Die armen 15 Mann … Das waren ja gar nicht 15 und die sind ja nicht grölend durch die Straßen gefahren …“ Anstatt Mitleid mit dem Algerier zu haben, der zu Tode gekommen war, wurden die Täter zu den Opfern gemacht. Und wenn du dann mal versucht hast, mit den Leuten zu diskutieren, sind sie ausfallend geworden, haben rumgeschrien.

Ali: Noch dazu, wie ich mit meinen Eltern darüber reden konnte. Wir sind nicht-deutscher Herkunft und meine Eltern hatten erstmal ziemlich Angst um mich. Sie sind sowieso immer ein bisschen ängstlicher und wenn ich mit meinem „Links“-Gerede anfange, dann wird immer abgewehrt. Dann sind die Linken Chaoten und sollten doch nicht so viel randalieren. Sie sollten es doch machen wie die Rechten und friedlich demonstrieren. (Gelächter) Na gut, einerseits ist es auch verständlich … Nein, verständlich nicht, für mich nicht verständlich … Aber wenn der normale deutsche Bürger so Einheit, Einheitskleidung, Uniform, alle mit Glatze sieht …

Matthias: Bei uns an der Schule da ist einer, der ist ein Einser-Schüler, läuft in ordentlichen Klamotten rum, der trifft schon mal auf Zuneigung bei den Lehrern. Sogar meine Mutter sagt von dem: „Ja, der rennt immer schön ordentlich rum und ist gut in der Schule.« Zu den Prügel-Faschos sagen auch alle: „Nö, die wolln wir nicht.“ Aber wenn sie so ordentlich sind und schön deutsch, die gepflegten Faschos eben, dann … Der aber, mit seinem ordentlichen, gepflegten Outfit und den gestylten Haaren nach rechts, dem ordentlichen Polo-Shirt, gefällt dem Normalbürger. Kommst du aber mit weiten Hosen und rotem T-Shirt, auf dem was draufsteht, kannst du dir in der Schule ständig dumme Sprüche anhören: „Zieh dir die Hosen ordentlich hoch … Was heißt denn das da auf dem T-Shirt … Waren doch och bloß alles Kommunistenschweine …“

Thomas: Wenn ich bei alten Ornis oder Opis höre, wie die so über die Rechten reden, schauen die eher nicht so auf die Gewalttaten, die sagen: „Die wollen ja eigentlich gar nicht so was Schlechtes, die sind noch jung, die haben noch ihre Kraft, die sind eigentlich für unser Land, unser schönes Deutschland, das es so bleibt, so sauber bleibt …“

Robert: Bei uns in der Schule haben wir ziemlich viele Faschos, da sind wenige Linke. Die Lehrer haben auch nicht angesprochen, dass der Algerier gestorben ist. Und es kamen dann auch solche Sachen wie: „Warum klinkt der nicht erst mal … Selber schuld, wenn er da durch die Scheibe springt … Er hätte ja auch wegrennen können, sich verstecken …“ Teilweise wird jetzt noch so darüber geredet und sich über ihn lustig gemacht.

Andrea: Das ist bei mir in der Klasse genauso. Ein Typ geht immer ins Bitburger. Gegenüber ist die Gedenktafel und da stand letztens so ein kleiner Junge. Als der Typ raus kam, hat er den Jungen angemacht: „Heul doch!“, und nur so ‘ne Scheiße. Und zu mir kommt er dann immer mit „rote Sau“ und solchen Geschichten.

Matthias: Beim Aktionswochenende oder bei der Gedenksteineinweihung war diese „tolle“ Europaschule nicht vertreten, nur von Schülerseite her …

Andrea: Letztens, bei der neuen Gedenktafel, waren aber auch Lehrer von uns da.

Matthias: Aber beim Veranstaltungswochenende nicht. Gerade von der Europaschule, die immer darauf besteht, Kontakte ins Ausland zu haben und was zu tun gegen Rassismus, für Toleranz und so, waren kaum Leute vertreten, bis auf einen Lehrer bei der Gedenksteineinweihung.

Ali: Ich weiß von unserer Schule mit der berüchtigten Penne-Disco, dass es dort einige gibt, die bei der Musik ‘nen Adolf-Hitler-Tanz machen, also den Arm ausgestreckt halten und „Sieg Heil“ schreien. Wir haben den DJ daraufhin schon mal angesprochen und gefragt, ob er da nichts machen kann. Er sagte, nee, kann er wohl nicht. Unserer Direktorin habe ich von diesem Vorfall erzählt, hab gefragt, was sie denn davon hält und ob man das nicht irgendwie bekämpfen könnte oder irgendwas dagegen tun könnte. Vielleicht täusche ich mich auch, aber ich hatte eher das Gefühl, dass sie das nicht so interessiert. An den Schulen versucht man unter den Teppich zu kehren, dass man rechte Jugendliche hat. Es wird auch gar nicht ernst genommen, dass bei uns gezielt und von Leuten, die bekannt für ihre rechte Einstellung sind, rechtsextreme Musik verteilt, abgespielt, verkauft wird. Da wird nichts gesagt, auch wenn die CDs vor den Augen der Lehrer liegen. Aufnäher mit Schwarz-weiß-rot und irgendwelchen Kreuzen drauf, verbotene Aufnäher werden bei uns auch nicht beschlagnahmt.

Matthias: Das ist auch ein allgemeines Problem. Viele Lehrer denken: „Was soll ich mich jetzt mit dem Schüler heiß machen, dann bin ich der doofe Lehrer und dann bin ich bei allen Schülern durch.“ Die Lehrer wollen ihre Ruhe haben, Lieblingslehrer sein, mit keinem Stress haben. In meiner Jahrgangsstufe hat es in der neunten Klasse angefangen, dass Leute mit weißen Senkeln in ihren Schuhen und mit Bomberjacken aufgetreten sind. Die meisten mit Aufnähern „Deutschland in den Grenzen von 1938“. Kein Lehrer hat was dagegen gemacht. Meine Mutter hat mal die Klassenlehrerin angesprochen und die hat geantwortet: „Ach, was soll ich denn machen. Es ist doch nicht so schlimm.“ Das war dann die Reaktion darauf. Und das ist eben das Problem an den Schulen allgemein, die Lehrer haben einfach keinen Bock, sich damit auseinanderzusetzen. Da muss man wirklich ansetzen.

Clemens: Also ich hab an der Schule kein Problem. Ich hatte mit mehreren Lehrern darüber gesprochen, dass ich da gejagt wurde, und die haben mir zugehört und auch was unternommen. Jetzt kommen Leute von anderen Schulen einfach nicht mehr in die Disco rein, die müssen jetzt den Schülerausweis zeigen. Und meistens wissen die Leute, die da Einlass machen, auch, wer an der Schule ist und wer nicht.

Matthias: Na ja, die sind aber auch Rechte …

Clemens: Das ist doch Wurst, die tun mir nichts, ist mir dann egal, wenn die kommen. Jedenfalls hab ich dann mit Frau L., die ist auch PDS, und dem stellvertretenden Schuldirektor Herrn P. gesprochen. Die wollten wissen, was ich so mache, und haben dann auch gefragt, ob sie was dagegen unternehmen sollen. Das fand ich eigentlich ziemlich okay. Ich denke, über alle Lehrer kann man nicht sagen, dass sie sich nicht drum scheren. Wenn man zu denen was sagt und man einigermaßen gut mit ihnen klar kommt, dann probieren sie schon, was zu machen … Ein bisschen haben wir ja damit erreicht.

Robert: Bei uns an der Schule ist es nicht so extrem. Mittlerweile dürfen wir im Schulclub keine CDs mehr reinmachen, da die Nazis andauernd ihre CDs mitgebracht hatten. Bis der Direktor dann irgendwann mal gesagt hat, es darf gar keiner mehr CDs reinmachen. Sie konnten das nicht mehr überblicken, was für eine CD gerade drin ist. Jetzt haben zwar noch viele ihre Nazi-CDs mit, hören die aber mit Walkman.

Matthias: Die Rechten sind jetzt auch weggegangen von der Musik, die man sofort erkennt, so wie Kraftschlag und Störkraft. Einer an meiner Schule, der ist schon ein bisschen länger rechts, der hatte zum Beispiel auch so rechte Musik. Man hat aber nicht gleich gehört, dass es rechte Texte sind. Man hat eben gemerkt: völkische Musik, völkische Texte. Es ging nie gegen Ausländer, aber um die „schöne deutsche Heimat“, wie schön doch alles in Deutschland wäre … Ich denke, das ist jetzt ihr Niveau, sie haben gemerkt, dass sie mit ihrer aggressiven Musik nicht weiter kommen. So setzen sie jetzt mehr auf das, was man nicht auf den ersten Blick durchschaut. Anders als „Skinhead, Skinhead, Skinhead“, das erkennt ja wohl jeder.

Ali: Was mich tierisch belastet und ankotzt, ist, dass die Rechten gezielt versuchen, sich überall breit zu machen, zum Beispiel jetzt im Intervall. Ich weiß nicht, wie es im Budget ist, aber in der Fabrik seh ich jedes Mal, wenn Disco ist, dass die da hinkommen und mehr Kontakte mit den Intervallmitgliedern, die so rechts angehaucht sind, knüpfen, dass sie da immer präsenter sind. Die Rechten fassen da immer mehr Fuß. Früher haben sie gesagt: „Nee, da gehen wir nicht hin“, und jetzt wollen sie sogar mal ins Budget kommen.

Thomas: Vor zwei Jahren ungefähr hat das Budget integrierende Sozialarbeit gemacht. Die Sozialarbeiterin hat immer mal drei Faschos eingeladen und die kamen dann auch mal so ins Budget. Silvester haben sie dort Stress gemacht, Ronny P. und so. Dann ist das ganze Budget raus und da haben sie schon gemerkt, dass dort eben nicht der Jugendclub ist, wo sie sich hintrauen sollten. Aber in der Fabrik sehen sie, da sind nur Kinder, die machen eh nicht viel. Da können sie sich dann breitmachen. Da gibt es auch einige, die hängen auch mit vielen Faschos rum. Einige von denen konnten dann da als Einlasser das Geld kassieren. Da waren dann auch Jan H. und Maik N. in der Fabrik und haben rumgelabert.

Ali: Vielleicht sollten wir mal versuchen, uns irgendwo breit zu machen. ‘nen Versuch wäre es ja wert, aber da hätten wir wohl nicht so viel Zuspruch von unseren Leuten, oder? (Kopfschütteln)

Andrea: Da hat doch keiner Bock, es will doch keiner den Stress machen.

Könnt ihr vielleicht noch etwas von positiven Reaktionen berichten?

Matthias: Positiv finde ich die PDS-Fraktion hier in Guben, weil sie versucht, uns zu unterstützen. Dieser Raum hier würde uns im Monat 200 DM kosten, aber wir kriegen von der PDS 100 DM. Sie haben eine eigene Zeitung, den Linken Stadtanzeiger, da haben wir immer die Möglichkeit, Artikel auf einer ganzen Seite zu bekommen, sodass wir da zeigen können, dass es uns noch gibt. Wenn irgendwelche Veranstaltungen sind, wie mit dem Gedenkstein beispielsweise, sind sie auch immer da und zeigen Präsenz.

Thomas: Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass die Stadtverwaltung überhaupt nicht dahinter steht. Jedenfalls hab ich das Gefühl. Bei diesen ganzen Gesprächsrunden gegen Rechtsradikalismus sieht man’s zum Beispiel: Wenn die Leute von der SPD einfach so weggehen, weil sie sich sagen, es bringt doch eh nichts, oder wenn die ganze Zeit bloß erzählen, wir müssen mal was machen. Wie der Ingo L., der Sozialarbeiter; der erzählt immer und erzählt, wir müssen was unternehmen, aber wenn es dann mal darum geht, was wir machen, dann kann er sich ja nicht so einmischen, er darf sich ja nicht auf die rechte oder linke Seite begeben, weil ansonsten … Was weiß ich.

Daniel: Von den Projekten der akzeptierenden Sozialarbeit ist er aber auch weggekommen. In der Richtung macht er nicht mehr so viel. Er hat auch schon erkannt, dass der Rechtsextremismus hier in Guben eine große Gefahr ist, und nicht so wie alle anderen, die sagen, der Linksextremismus, das ist Blödsinn.

Matthias: Der Hammer war aber, dass Ingo L. sich vor zwei Jahren bei Bärbel Schäfer ins Fernsehstudio gestellt hat. Es ging um das Thema „Links und Rechts«. Und er hat dann behauptet, er war in beiden Gruppierungen drin, er war mit einbezogen, und bei jeder Gruppierung geht es bloß um Prügeln, um Saufen und was weiß ich. Das war wirklich unter aller Sau, was er da erzählt hat. Politische Aspekte hat er überhaupt nicht beachtet. Man kann doch nicht von jedem, der sich zu irgendeiner Gruppierung hingezogen fühlt, behaupten, dass er da bloß Stress haben will, das ist ja vollkommener Blödsinn …

Möchte noch jemand was sagen?

Ali: Also ich find es echt cool, dass es so was mal gegeben hat, dass mal jemand unsere Meinung angehört hat oder anhören wird. Vielleicht ist das ein Anfang für irgendwas Großes, was später mal kommen wird, vielleicht, dass Guben mal rot wird.

 

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Aus dem Archiv: „Es sind eben die, die den Stress machen …“ – Teil 1 http://www.re-guben.de/?p=645 http://www.re-guben.de/?p=645#comments Sat, 24 Aug 2013 18:50:53 +0000 http://www.re-guben.de/?p=645 Das folgende Interview mit Skatern in der Obersprucke ist aus dem Jahr 2000. Wir haben es zuerst im Buch Nur ein Toter mehr… veröffentlicht. Die acht Jugendlichen, mit denen ich sprach, gehörten zu einer Gruppe Jugendlicher, welche die damals neue Skaterbahn zu ihrem Treffpunkt gemacht hatten. Sie zählten zu den wenigen, die in der Obersprucke eine öffentlich wahrnehmbare Gegenposition zu einer extrem rechts orientierten Jugendkultur einnahmen. Schon kurz nach der Einweihung der Skaterbahn im Herbst 1999 wurde die Gruppe angegriffen und unter Druck gesetzt. Das Interview spiegelt ihren Alltag in der Obersprucke 1999/2000 wieder und die alltägliche Auseinandersetzung um den öffentlichen Raum. Es dokumentiert auch unmittelbare Reaktionen auf den Tod Farid Guendouls: in der Schule, in den Familien, im sozialen Umfeld der Jugendlichen. Wahrscheinlich haben die meisten von ihnen Guben inzwischen längst verlassen. Mit Andrea habe ich in diesem Jahr ein Interview über ihre Erfahrungen in den folgenden Jahren geführt, das wir bereits veröffentlichten.

Erzählt doch zuerst mal was über die Skaterbahn. Seit wann gibt’s die?

Thomas: Seit Herbst letzten Jahres. Vorher war da ein Spielplatz mit Basketballplatz. Dann ist jemand auf die Idee gekommen, das alles zu betonieren und Klettergerüste drauf zu bauen. Im Oktober kam dann die Halfpipe dazu.

Konntet ihr euch aussuchen, wo sie hinkommt und was da hoch soll?

Matthias: Das wurde in der Stadt beschlossen und dann wurde das einfach gemacht. Da hat uns niemand gefragt, ob wir Wünsche haben.

Könnt ihr die Bahn das ganze Jahr nutzen? Was macht ihr denn im Winter?

Thomas: Es gibt immer ein paar, die auch im Winter da sind. Es ist allgemein ein Treffpunkt geworden. Die anderen, denen es zu kalt ist, gehen in die Fabrik. Aber im Sommer sind dann alle wieder oben.

Wie sieht es in Obersprucke mit Nazis aus? Habt ihr an der Skaterbahn Probleme mit denen?

Matthias: Die wollen uns provozieren, zeigen, dass sie dort präsent sind, und austesten, wie weit sie sich vorwagen können, ob sie da Stress machen können, eben die Lage checken und klarmachen, dass sie dort die Bosse sind. Letztens kam Marcel P. und hat einen von uns dumm angemacht – warum er rumlabert und so, dabei hatte der gar nichts gesagt. Er wollte gleich den Chef markieren.

Sind eher die Rechten präsent oder seid ihr das?

Martin: Oben in der Sprucke sind es die Rechten, würde ich sagen …

Ali: Nicht unbedingt präsent. Es sind eben die, die den Stress machen, die sich am Tag vielleicht nicht so zeigen, aber später dann rauskommen.

Daniel: Zum großen Teil sind die auch älter als wir. Die fahren dann schon teilweise Autos …

Was bedeutet es, wenn die Stress machen?

Thomas: Eine Zeit lang war’s so, dass sie einfach ganz provokativ zur Bahn kamen, sich mit ein paar Autos hingestellt haben und laut ihre Oi-Mucke gehört haben. Da hatten sie dann ihre freie Zone, weil eben alle abgehauen sind, wenn da fünf Autos standen und solche Schränke drin waren … Dann haben die dort ihr Bier gesoffen, Oi gehört und sind da oben rumgefahren. Sie kommen auch immer mal an und wollen uns ein „Gespräch“ aufdrängeln, so wie Marcel P. eben …

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gab es letztes Jahr aber auch körperliche Angriffe?

Matthias: Ja, das war am Monument. Da hatte ein Bistro eröffnet, das die Nazis als Treffpunkt für sich ausgemacht hatten. Dort waren dann immer eine Menge Leute drin. Wenn du da langgegangen bist, nachts, am Wochenende, standen so ein paar Typen draußen. Und wenn die gesehen haben, sie sind mehr und stärker, sind sie gekommen. Und da ist es auch passiert, dass Leute aufs Maul gekriegt haben.

Ali: Was mir noch einfällt, ist – und das kann keiner von uns leugnen –, dass der Zusammenhalt bei uns oben fehlt. Der ist nicht gerade der beste, meiner Meinung nach – da könnte man noch ein bisschen dran arbeiten. Das ganze Auftreten der Rechtsgerichteten ist aggressiver und so ist der Zusammenhalt bei denen natürlich auch deutlich größer als bei uns. Die unternehmen mehr zusammen, selbst wenn sie sich meinetwegen nicht so leiden können. Trotzdem sind sie ja „Kameraden“. Bei uns ist es ein bisschen gespalten.

Andrea: Gespalten ist gut. Wenn Nazis angekommen sind, sind alle weggerannt. Das letzte Mal sind drei von denen gekommen. Die kannte man so vom Sehen. Da konntest du zuschauen, wie alle gerannt sind. Von daher kannst du nicht von Zusammenhalt sprechen.

Matthias: Das liegt aber auch daran, dass unsere Leute oben größtenteils eingeschüchtert sind – aufgrund von körperlichen Übergriffen, Beleidigungen und so weiter. Da müsste man vielleicht ein bisschen arbeiten.

Thomas: Es ist ein Problem, dass die noch nicht so den Mut gefasst haben. Ich weiß nicht, körperliche Übergriffe und so … Die haben einfach keinen Bock auf Stress, die wollen mit ihren Skateboards durch die Gegend fahren und labern so ‘nen Scheiß wie: „Wenn so ein Scheiß-Fascho kommt, dann hauen wir ihm das Skateboard auf den Kopf.“ Aber wenn sie dann kommen, fahren sie eben lieber schnell weg … Ein super Beispiel: Da gab es das Gerücht, dass ein Haufen Faschos kommen soll. Erstmal war ein Großteil der Leute gar nicht da, die haben sich alle nach Bresinchen an den See verpisst. Und der Rest, der da war, rannte weg, als dann drei Mann kamen, obwohl wir mehr waren. Danach kamen alle wieder: „Ach, hier war ja doch nichts.“ Und dann haben da Kinder Panik gemacht, „Ja, da kommen sie!“, und da sind wieder alle weggerannt.

Robert: Und dann waren es ein paar Kleine mit ihrem Vater.

Ali: Das ist dann lustig auf die eine Art, aber traurig auf die andere.

Habt ihr Angst, wenn ihr nachts in Obersprucke unterwegs seid?

Andrea: Auf jeden Fall.

Daniel: Ich fahr da abends nicht so gern alleine nach Hause, ich geh dann am liebsten zu zweit oder so. Ansonsten mach ich, dass ich da schnell irgendwie durchkomme.

Thomas: Ich nehme immer lieber ein Fahrrad. Damit bist du schneller und kannst dort langfahren, wo die mit dem Auto nicht hinterherkommen …

Matthias: Na ja, aber nicht immer.

Thomas: Aber meistens. Zu Fuß würde ich da oben auch nicht unbedingt alleine langlaufen.

Robert: Als es noch ein bisschen schlimmer war und einige Leute von denen noch nicht eingeknastet waren, da hatte ich auch ein bisschen mehr Angst. Vor zwei Jahren hatten sie mich schon mal wegen Aufnähern und so angemacht. Zehn oder 15 Leute waren das. Ein paar Bedenken hat man natürlich immer, wenn man so durch die Nacht läuft. Das ist auch so, wenn ich alleine in der Stadt bin. Ich denke immer, es könnte ja etwas passieren … Zurzeit ist es da oben ein bisschen ruhiger geworden, meiner Meinung nach.

Matthias: Ich würde sagen, das ist die Ruhe vor dem Sturm, da wird irgendwann bald etwas passieren.

Ali: Ja, das ist schon richtig, bestimmt. Aber ich glaube auch, dass ältere Leute, wie Yogi zum Beispiel, was „Besseres“ zu tun haben, als jetzt da hoch zu kommen. Es sei denn, irgendwelche besonderen Leute von außerhalb kommen. Da sind sie eher dabei. Aber ich glaub nicht, dass sie von uns so fasziniert sind, dass sie jedem von uns auf die Fresse hauen wollen. Da wissen sie schon selber, dass sie bisschen mehr auf Tasche haben.

Ist die Situation in Obersprucke eine andere als in der Altstadt?

Robert: Ich würde schon meinen. Bei den Rechten gibt es ja auch immer noch das Klischee, in der Altstadt sind die Punks, da kriegst du von denen ein paar aufs Maul. Vor allem die jüngeren Faschos haben noch dieses Klischee, unten nazifreie Zone, und oben können sie machen, was sie wollen. Oben wohnen auch mehr von den bekannten Nazis.

Du hast vorhin gesagt, dass sich Marcel P. an der Skaterbahn einmal besonders hervorgetan hat. Er ist ja angeklagt, an der Jagd auf Farid Guendoul beteiligt gewesen zu sein. Habt ihr das Gefühl, dass er und die anderen Angeklagten in die Strukturen fest eingebunden sind und sich auch an Übergriffen und Ähnlichem beteiligen?

Matthias: Also, Marcel P. war an dem Freitag mit ein paar anderen da, die sahen eher aus wie Stinos.

Clemens: Ich war mal im Penne-Club, in der Disco des Gymnasiums. Marcel P. und Steffen H. waren auch da. Als wir losgehen wollten, haben sie mich halt gejagt. Ich hatte Glück, dass ich mit dem Auto dort war und ins Auto rein konnte. Ich weiß nicht, was sonst gewesen wäre, ich denke, die waren ganz schön fies drauf. Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, dass die noch ‘ne Menge miteinander zu tun haben. Zum Beispiel sind sie oft hinten an der kleinen Pipe beim Kaufland: Marcel P., Steffen H., Alexander B. Leute wie Yogi haben mit Steffen H. nicht mehr viel zu tun, es sei denn, es geht ums Tätowieren. Zusammenhalt ist auf jeden Fall da.

Hattet ihr das Gefühl, dass es nach dem Tod von Farid Guendoul erst einmal ruhiger war, dass sie zurückhaltender waren, oder ist eher das Gegenteil eingetreten?

Clemens: Eher das … Dadurch, dass ihnen nicht richtig was passiert, denken sie doch, jetzt erst recht. Wenn sich das alles so nach hinten aufschiebt, können die doch machen, was sie wollen. Wieso trauen sie sich denn in die Disco,wenn sie doch eigentlich wissen müssten, dass dort viele Leute sind, die nicht ihrer Meinung sind? Da riskiert niemand, das Maul aufzumachen. Wenn dorthin jemand mit bunten Haaren kommt, der so aussieht, als ob er was gegen sie haben könnte, gehen einfach drei Leute auf ihn drauf. Die machen sich da gar keine Birne. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass sich niemand traut, eine Anzeige zu erstatten. Bei mir war es jedenfalls so. Das ist dann ein zu geringer Tatbestand, wenn die mich bloß gejagt haben, und es ist ja nichts weiter passiert. Wäre ich stehen geblieben und hätte mich zusammenschlagen lassen, dann hätte ich meine Anzeige machen können, aber so passiert eben nicht viel. Und Nazis, die sowieso noch nicht so viel mit der Polizei zu tun hatten, bei denen noch nichts gewesen ist, die wissen doch, ein, zwei Dinger können sie sich leisten.

Thomas: Also ich hatte eher das Gefühl, dass es eine kurze Zeit etwas ruhiger geworden ist, aber nur geringfügig …

Matthias: Ja, weil sie dachten, jetzt bekommen sie hier richtig Ärger von links. Dann ging ja auch das Gerücht um, hier würden Türken und Vietnamesen aus Berlin auftauchen und alle abschlachten. Da haben die schon Schiss gehabt. Ich denke mal, inzwischen haben die aber gemerkt, dass die Grundstimmung in der Bevölkerung zum Beispiel gegen den Stein ist, dass die Leute nichts mehr davon hören wollen, dass die ihre Ruhe haben wollen. Da stoßen die Nazis auf gesellschaftliche Akzeptanz und kommen wieder verstärkt aus den Löchern rausgekrochen. Dass die wieder andere jagen, anmachen und so, würde ich schon für ein Zeichen halten.

Ali: Aber das ist der Punkt. Wir alle hier wissen, dass es so ist. Man müsste sich mal in einer Gruppe zusammensetzen und zusammenhalten … Das soll nicht heißen, dass ich für Gewalt bin, aber ich hab es wirklich zu oft probiert, mit denen zu reden. Ich muss ehrlich sagen, die Leute verstehen dich einfach nicht. Wenn du mit denen reden willst, dann heißt es gleich: „Halt deine Fresse oder wir hauen dir eins auf die Schnauze!“ So einfach ist das. Es sei denn, du bist in der Mehrzahl, dann sind sie ruhig und hören sich dein Gequatsche an und danach lachen sie drüber.

Daniel: Aber mal angenommen, jetzt ist irgendwas. Du bist mit fünf anderen da und zwei Nazis machen dich blöd an. Wenn du anfängst, die zu schlagen, dann kannst du drauf warten, dass die dir dann mal mit ihren Freunden auflauern. Und die haben Freunde und die sind dann auch so, dass du sagen musst: „Na ja, was mach ich denn jetzt?“ Da überlegt man bei so kleinen Kinderfaschos: „Die kannste doch nicht anlabern. Die rennen ja dann sofort zu ihren großen Brüdern und sagen, schnappt euch mal den und den.“

Andrea: Da waren zum Beispiel einige Sachen, von denen wir wussten, dass Jan H. dabei war, auch die Sache mit dem jüdischen Friedhof. Dann meinten zwei: „Komm, wir gehen mal bei dem vorbei.“ Jan H. stand draußen und da haben sie ihn ein bisschen geärgert … Na ja, und daraufhin kamen dann die Racheaktionen.

Was waren die Racheaktionen?

Andrea: Die Faschos sind fast täglich an die Pipe gekommen und haben geschaut, wer alles da war. Einmal haben sie mit einer Kamera gefilmt. Solche Sachen …

Robert: Ein großer Teil von den etwas Älteren ist auch bewaffnet. Pistolen sind da gang und gäbe und auch andere Waffen wie Schlagringe, Messer, Totschläger. Das gibt einem ja auch ein bisschen zu denken. Deswegen würde ich persönlich mich auch nicht mit irgendeinem von den Älteren einlassen.

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Film: „Das kurze Leben des Omar ben Noui“ http://www.re-guben.de/?p=557 http://www.re-guben.de/?p=557#comments Mon, 05 Aug 2013 16:17:10 +0000 http://www.re-guben.de/?p=557 Am 13. November 2000 wurde im Prozess um die sogenannte Hetzjagd von Guben das Urteil vor dem Landgericht Cottbus verkündet. Am Abend zeigte das ORB-Fernsehen die 45-minütige Dokumentation „Das kurze Leben des Omar ben Noui“. Der Film des Journalisten und Dokumentarfilmers Kristian Kähler behandelt Aspekte, die in dem Gerichtsverfahren keine Rolle spielten: Er versucht eine Annäherung an den Menschen Farid Guendoul/Omar ben Noui und thematisiert die Folgen der Tatnacht für dessen zwei Begleiter, für die Familie und Freunde des Toten. Wir danken dem rbb und Kristian Kähler für die Genehmigung, den Film hier zeigen zu können.

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„Es war Teil von dem ganz normalen Wahnsinn in Guben“ http://www.re-guben.de/?p=462 http://www.re-guben.de/?p=462#comments Mon, 29 Apr 2013 19:24:37 +0000 http://www.re-guben.de/?p=462 Wahrscheinlich habe ich Dirk* das erste Mal im Gubener Sanikasten getroffen, dem kleinen Klubraum, in dem er zusammen mit Freundinnen und Freunden selbstorganisiert versucht hat, eine alternative Jugendarbeit zu entwickeln. 2006 zog er aus der Stadt weg. Heute ist er angehender Wirtschaftswissenschaftler. Wir trafen uns im Frühjahr 2013 zu einem Gespräch über eine Jugend in Guben und die Erinnerung an den Tod Farid Guendouls.

RE:GUBEN: Wie hast du den 13. Februar 1999 in Erinnerung?

Dirk: Ich kann mich ziemlich gut daran erinnern. Ich war 12 damals. Wir kamen genau am 14. Februar aus dem Urlaub zurück. Wir haben eine Straße vom Tatort entfernt gewohnt, also Luftlinie 200 Meter. Als wir nach Hause gefahren sind, kamen wir an der Hugo-Jentsch-Straße vorbei und haben bemerkt, dass da etwas passiert war. Kurz danach hat uns eine Bekannte besucht, um uns nach dem Urlaub zu begrüßen. Als erstes hat sie erzählt, was geschehen ist.

Ich glaube, für mich war es damals schwierig, das alles zu begreifen, auch das Ausmaß. Als 12-Jähriger habe ich wahrgenommen, dass jemand umgekommen ist, weil er Asylbewerber war, wie es hieß. Ich weiß, dass meine Eltern sehr schockiert waren. Es hat dann ja auch einen Einfluss, wie die Personen um einen herum reagieren. Man begreift es so wahrscheinlich anders, als wenn man es nur irgendwie hört.

Wurde die Tat damals auch bei dir in der Schule thematisiert?

Ja, es wurde bei uns in der Klasse angesprochen. Wir hatten eine Stunde in einem Gesellschaftsfach – ich glaube, Politische Bildung hieß es damals noch nicht –, da haben wir jedenfalls eine Stunde oder sogar eine Doppelstunde darüber geredet. Kurze Zeit nach der Tat. Ich habe nicht mehr so viel Erinnerung daran, was genau gesprochen wurde, ich weiß nur noch, dass es thematisiert wurde. Ich glaube aber auch, dass es wirklich schwer war für uns, in unserem Alter, das ganze Ausmaß, die Hintergründe, warum es passiert ist, zu begreifen. Der Versuch war auf jeden Fall da, das Thema anzusprechen. Ich weiß allerdings nicht, ob es auch in anderen Klassen oder nur von unserer Klassenlehrerin gemacht wurde.

Du hast dann auch die nächsten Jahre in der Obersprucke gelebt. Hast du zu der Zeit dort Nazis wahrgenommen?

Das kam dann recht schnell, im Sommer danach. Ich wurde 13, hab auf der Skaterbahn rumgehangen und war so ein bisschen Hip-Hopper. Das war das Jahr, in dem ich das erste Mal von Nazis bedroht und auch körperlich attackiert wurde. Dann fängt man an, sich damit zu beschäftigen. Man wusste ja, warum man angegriffen wurde – wurde einem ja sehr deutlich gesagt…

Warum?

Weil ich nicht „deutsch“ aussah. Da fängt man an, darüber nachzudenken, und versucht, das für sich zu begreifen. Damit fing für mich eine Politisierung an. Ich konnte dann auch den Tod von Farid Guendoul einordnen, weil es für mich Stück für Stück begreifbar wurde, was da passiert ist. Ich hab angefangen, mir Gedanken zu machen, was um mich herum los ist.

Die Skaterbahn war damals nicht weit weg von dem Tatort – dort hat sich alles getroffen, was ein bisschen gerollt hat und vielleicht ein bisschen alternativ war. Dort hatten wir immer wieder Stress, weil bis auf diese kleine Skaterbahn in der Sprucke damals mehr oder weniger Nazis das Gebiet dominierten. Zu der Zeit habe ich begonnen, das wahrzunehmen.

Was meinst du mit Politisierung?

Das kam wirklich Stück für Stück. Es hat mit dieser Skaterzeit angefangen. Das hatte natürlich viel mit Lifestyle zu tun, man war ein bisschen Hip-Hoper und so. Deswegen war man – unabhängig vom „nicht deutschen“ Aussehen – automatisch Zielscheibe für Nazis. Es war sehr selten, dass man in einer Woche mal keinen Stress mit ihnen hatte. Das war nicht immer körperlich, einfach verbal, so dass man da Sprüche zu hören bekam. Diese Fronten waren relativ schnell klar. Man wusste, was Nazis sind, was die wollen, warum die so sind. Und ich habe angefangen, mich selber zu fragen: Was will ich und was find ich an Nazis nicht cool. So hat sich ein Denkprozess entwickelt.

Ich habe nach Alternativen gesucht und habe dann den Sanikasten entdeckt, der damals aufgemacht hatte. Ich bin dann mit ein, zwei Leuten von oben, also von meinen Freunden, relativ oft dorthin gegangen, weil wir uns dort einfach wohlgefühlt haben, weil es ein Rückzugsort war. Wir wussten: Okay, hier brauchen wir nicht Angst haben, dass wir auf die Schnauze bekommen oder Stress haben. Das war der Weg dorthin.

Wie hat sich die Situation für dich in den Jahren danach entwickelt?

Wenn man relativ viel in der Stadt unterwegs war, hatte man oft Auseinandersetzungen, auf Partys zum Beispiel. Es war Teil von dem ganz normalen Wahnsinn in Guben, dass – egal zu welchem Stadtfest oder Dorffest oder Osterfeuer man gegangen ist – es eigentlich immer Stress gab. Das gehörte einfach zum Alltag dazu. Bis dahin, dass selbst am Badesee oder so Leute ankamen und Stress suchten. Das ist für mich später vom Umfang her dadurch zurück gegangen, dass wir einen Rückzugsraum hatten, dass wir fast „stationär“ im Sanikasten waren, weil wir einfach keine Lust mehr auf den permanenten Stress hatten.

Ich glaube, dass sich die Situation an und für sich in Guben nicht geändert hatte. Für mich persönlich hat nur die Quantität abgenommen. Wenn dann aber was passiert ist, hat sich nach meinem Gefühl die „Qualität“ der Übergriffe enorm gesteigert. Früher waren es auch Angriffe klar aus einem politischen Grund, weil man nicht in deren Weltbild gepasst hat, aber das endete meist dann, wenn das Opfer geblutet hat oder wenn für die Angreifer erkennbar war, dass sie sich als die „Stärkeren“ durchgesetzt hatten – oder dass sie es nicht schaffen. Später ging es ihnen nach meinem Eindruck darum, den politischen Feind zu bekämpfen. Das war dann gezielt, um die größtmöglichen Schäden bei uns anzurichten.

Ich bin nach meinem Abitur mit 19 aus Guben weggegangen, sofort 2006. Der Überfall beim Stadtfest in dem Jahr war für mich der Abschluss. Das war nochmal so ein Punkt, der alles verdeutlicht hat, was ich vorher in Guben erlebt hatte, mit allem drumherum, angefangen bei dem Übergriff selbst bis hin zur Wahrnehmung in der Stadt und den Reaktionen der Öffentlichkeit, der Polizei und auch der Justiz. Es ist mir noch einmal vor Augen geführt worden, warum ich, seitdem ich denken konnte, wusste, dass ich aus Guben weg muss. Weil da kein Platz ist für einen selber.

Hast du denn Reaktionen in der Stadt erlebt, die für dich positiv waren?

Für mich war der Sanikasten ein ziemlich wichtiges Projekt in Guben, weil es das einzige war, in dem Jugendliche selbständig und selbstverantwortlich für eine alternative Jugendkultur, für eine nicht diskriminierende Jugendkultur eingestanden haben. Aber es war eigentlich so, dass wir immer mehr mit den Behörden zu kämpfen hatten, als dass wir Unterstützung erfahren haben. Wir haben halt nicht reingepasst in ihre Jugendförderung.

Damit will ich nicht sagen, dass in der Stadt keiner das Projekt unterstützt hat. Da gab es durchaus auch in den Behörden einzelne Leute, die uns gegenüber sehr nett und sehr kooperativ waren. Es gab natürlich Leute in der Stadt, die uns geholfen und uns unterstützt haben, in der Vereinsarbeit oder in verschiedenen Projekten, die wir gemacht haben. Aber es war nie so, dass ich wirklich das Gefühl hatte, dass die Stadt, also die Politik und die Verwaltung insgesamt, uns hilft und hinter dem Projekt steht. Von der Stadtspitze, gerade später unter Herrn Hübner, hatte man nie den Eindruck, dass es gewollt ist.

Warum bist du aus Guben weggegangen?

Es lässt sich mit einem Wort sagen: Lebensqualität. Ich glaube, das war mit der erste Gedanke in meiner Entwicklung, mit 14, 15, als ich begriffen habe, was in der Stadt los ist: Ich muss hier so schnell wie möglich weg. Es war so, man macht die Schule fertig und dann sieht man zu, dass man irgendwo Anschluss findet, nur raus aus dieser Stadt. Es war absehbar, dass es da keine Zukunft gibt, die einem in irgendeiner Weise schön vorkommt.

Bist du jetzt manchmal noch da?

Sehr selten. Ich versuche auch, es möglichst zu vermeiden. Ich habe in Guben nur noch sehr wenige Freunde von früher, der Großteil ist auch weggezogen. Ich lade lieber die wenigen, die noch vor Ort sind, in schöne Städte ein, wo man auch Zeit verbringen kann. Dort in Guben zu sein, brauche ich nicht unbedingt. Ich fühle mich auch nicht verbunden mit dem Ort, schon gar nicht sehe ich ihn als Heimat. Meine romantischen Gefühle für Guben halten sich sehr in Grenzen. Ich habe natürlich auch positive Erinnerungen an schöne Zeiten. Aber es ist so, dass sie nicht auf dem Ort beruhen, sondern auf dem, was wir selber alles gemacht haben. Sie hängen an den Leuten, mit denen ich zusammen war, und nicht an der Stadt, an dem Umfeld vor Ort.

Wie hast du in der Zeit in Guben den Umgang mit dem Tod von Farid Guendoul wahrgenommen?

Wie gesagt, ich war 1999 noch relativ jung. Da war es schwierig, das alles einzuschätzen. Das kam dann erst später. Aber es war auch immer wieder ein Thema, zum Beispiel unter Schülern, Jugendlichen. In der Art, dass fünf Jahre später noch Sachen kamen wie „Scheibenspringer“ oder „Der ist doch selber schuld“. Das war mehr oder weniger Alltag. Es war halt für einen Großteil der Leute so, dass die Schuldfrage gar nicht geklärt wäre und dass es eigentlich gar nicht so schlimm gewesen wäre, wenn der da nicht durch die Scheibe gesprungen wäre. Ich habe bei etlichen Gleichaltrigen eine Verharmlosung wahrgenommen, die eigentlich nur daher kommen konnte, dass sie das seit der Tat in ihrem Umfeld aufgenommen und sich kaum damit auseinandergesetzt haben. Sie haben diese Perspektiven übernommen und dann war das halt so.

Später waren wir aus dem Sanikasten auch selbst aktiv für ein Gedenken und haben versucht, die Tat wieder in den Blick zu nehmen. Und wir haben gemerkt, dass es von vielen nicht gewollt war. Die üblichen Reaktionen waren, dass es schon so lange her ist, dass schon so viel dazu getan wurde, dass es ja mal reicht, dass jeden Tag Menschen sterben. Es sei ja genug, weil es einen Gedenkstein gebe, und nun solle man die Leute einfach in Ruhe lassen. Ich denke, ein Großteil in Guben wollte nichts mehr damit zu tun haben.

Wir haben aus politischen und menschlichen Gründen erinnert. Aber meine Illusion, da eine gesellschaftliche Diskussion zu schaffen, die sich kritisch auseinandersetzt und reflektiert, hat sich schnell gegeben, als ich gemerkt habe, dass da eigentlich nichts passiert. Ich vermute ganz stark, dass es heute nicht viel anders ist, dass die gleichen Argumente kommen. Es wird auch heute in Guben eine Handvoll Leute geben, die eine Erinnerung an Farid Guendoul und an die Tat grundsätzlich begrüßenswert finden und dort auf ihre Weise gedenken, aber ich glaube, im Großen und Ganzen wird es die gleiche Reaktion hervorrufen wie vor fünf Jahren – nur mit dem Tenor, dass es jetzt noch länger her ist.

 

* Der Name wurde von der Redaktion geändert.

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Der mit den Enten spricht http://www.re-guben.de/?p=373 http://www.re-guben.de/?p=373#comments Thu, 04 Apr 2013 18:14:29 +0000 http://www.re-guben.de/?p=373 Die Lausitzer Rundschau (LR) berichtete im April 2012 wie bereits im Vorjahr über den 69-jährigen Hans B. aus der Gubener Kleingartensparte „Kaltenborner Eck“. Auf dem Komposthaufen des Tierfreundes brütete zum dritten Mal eine Stockente. In der LR hieß es: Er „spricht auch mit dem Tier und ist sich sicher, dass die Ente ihn auch genau kennt. Er rechnet damit, dass die Jungen um den 20. April herum schlüpfen.“ Misstrauisch wurden die Lokalreporter dabei nicht. Warum auch?

Hans B. war in den 1990er Jahren in der Gubener Neonazi-Szene umtriebig. Er schaffte es sogar auf einen Posten in einer überregional agierenden Organisation. Bereits kurz nach der Wiedervereinigung soll er für die Deutsche Alternative (DA) in Guben in Erscheinung getreten sein. Er war in Obersprucke bekannt als der „alte Mann“, in dessen schwarzer Umhängetasche sich immer jede Menge Propagandamaterial fand. Nach dem Verbot der DA durch den Bundesinnenminister 1992 wechselte er zur Deutschen Liga für Volk und Heimat und zum Verein Die Nationalen e.V. Ab 1993 machten Die Nationalen e.V. Guben zu einem ihrer Schwerpunkte. Hans B. wurde Kreisvorsitzender und war dann unter anderem im Neubaugebiet Obersprucke unterwegs, um rechte Zeitungen und Aufkleber zu verteilen und junge Menschen anzusprechen, die er für Veranstaltungen warb. Als Dank für den Aktivismus machte Frank Schwerdt, Bundesvorsitzender der Nationalen e.V., B. zu seinem Stellvertreter. Er galt als enger Vertrauter von Schwerdt und Mitorganisator zahlreicher Neonazi-Veranstaltungen in Guben in den 1990er Jahren. In der Gruppe der Nationalen e.V. erlebte auch ein Teil der Täter vom 13. Februar 1999 seine erste politische Sozialisation.

Nach der Selbstauflösung der Nationalen e.V. 1997 wurde es ruhiger um B. Immerhin schrieb die LR darüber, dass er heute eingeweichtes Brot und Wasser an den Nestrand seiner Stockente stellt. Ob die „Führer-Küken“ wirklich am 20. April auf die Welt kamen und B. wieder etwas zu feiern hatte, ist nicht überliefert. Wir werden sehen, ob die Ente dieses Jahr wieder in der Zeitung auftaucht.

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Spuren nach Dortmund – V-Mann Toni S. in Kontakt mit NSU-Terroristen? http://www.re-guben.de/?p=302 http://www.re-guben.de/?p=302#comments Tue, 26 Mar 2013 07:02:31 +0000 http://www.re-guben.de/?p=302 Nachdem unsere Geschichte des Verfassungsschutz-Informanten Toni S. mit seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe im Jahr 2002 endete, nimmt die WAZ heute die Spur des Brandenburger (Ex-)V-Manns wieder auf und ebenso die des NSU-Terroristen Uwe Mundlos. Beide könnten 2006 in Dortmund vor dem Mord an Mehmet Kubaşık zusammengetroffen sein. S. wäre dem NSU damit weitaus näher gewesen, als seine Kontakte ins sächsische Blood&Honour-Netzwerk bislang nahe legten. Er soll zudem mit Waffen gehandelt haben.

Die Recherche der WAZ stützt sich im Wesentlichen auf Akten der Dortmunder Polizei, in denen Berichte ihres V-Manns „Heidi“ festgehalten sind. Toni S. soll 2003 nach Dortmund gezogen sein. In Vernehmungen gab „Heidi“ laut WAZ an, dass er S. das erste Mal im September 2005 begegnete. Im März 2006 habe der V-Mann berichtet, dass S. versuche, scharfe Waffen aus Tschechien in Dortmund zu verkaufen. Ein Ermittlungsverfahren scheiterte, die Polizei konnte S. nicht weiter verfolgen.

Die WAZ berichtet weiter, dass der V-Mann im November 2011, nach dem Ende der NSU-Gruppe, ein weiteres Mal an die Polizei herangetreten sei. Er habe sich erinnern können, dass sich S. am 1. April 2006 in der Dortmunder Mallinckrodtstraße mit Uwe Mundlos traf. Wenige hundert Meter entfernt wurde am 4. April 2006 der 39-jährige Mehmet Kubaşık Opfer des NSU. Er wurde in dem Kiosk, in dem er arbeitete, erschossen. Das Geschäft in der Nordstadt befand sich in der Nähe des „Deutschen Hofs“, damals ein Treffpunkt der lokalen Neonazi-Szene.

V-Mann „Heidi“ soll 2006 dem Treffen keine Bedeutung beigemessen haben, weil er keinen Zusammenhang zum Mord herstellte. Er habe sich jedoch später an die „markanten Gesichtszüge“ von Mundlos erinnern können. Laut WAZ wollte die Dortmunder Polizei nach der letzten V-Mann-Aussage mit weiteren Ermittlungen den Kontakt von S. und NSU prüfen, was jedoch von der Bundesanwaltschaft unterbunden wurde.

Neben diesen Details zu möglichen Kontakten des NSU nach Dortmund sieht die WAZ außerdem eine Spur, die zurück nach Brandenburg führt. Den Polizeiakten zufolge sei S. nach 2002 regelmäßig in Cottbus gewesen, „wo auch Unterstützer des NSU verkehrten“. Die WAZ schreibt: „Nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen könnte Toni S. hier auch Mitglieder der Terrorzelle NSU kennengelernt haben.“

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