RE:GUBEN » Guben http://www.re-guben.de fragt nach den Folgen des Todes Farid Guendouls, der am 13. Februar 1999 auf der Flucht vor einer Gruppe Neonazis in Guben starb. Was geschah in jener Nacht? Wie wurde mit der Tat umgegangen? Wie kann Gedenken gestaltet werden? Wie reagieren Politik und Gesellschaft? Fri, 02 May 2014 16:27:31 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8 Jurist/innen und Journalisten im Interview zum Fall Guben http://www.re-guben.de/?p=749 http://www.re-guben.de/?p=749#comments Fri, 03 Jan 2014 10:02:19 +0000 http://www.re-guben.de/?p=749 Unsere Dokumentation Rassistische Gewalt vor Gericht – Gespräche über den Fall Guben behandelt das Gerichtsverfahren, in dem das Landgericht Cottbus vom 3. Juni 1999 bis zum 13. November 2000 gegen elf Jugendliche und Heranwachsende aus Guben verhandelte. Sie hatten am frühen Morgen des 13. Februar 1999 Farid Guendoul, Khaled B. und Issaka K. verfolgt und angegriffen. Beim Versuch zu fliehen erlitt Farid Guendoul eine Verletzung der Beinarterie und verblutete. Die Dokumentation umfasst Interviews mit vier Jurist/innen, die als Richter, Verteidiger oder Nebenklagevertreterinnen am Verfahren beteiligt waren, sowie mit zwei Journalisten, die es kontinuierlich beobachteten.

Das Gerichtsverfahren war seinerzeit der Ort, an dem die Tat im Detail rekonstruiert wurde. Minutiös wurden die Abläufe der Tatnacht, die individuellen Beteiligungen der Täter und ihre Verantwortlichkeit dargestellt. Diese Aufklärung wurde in der lokalen Gubener Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Das Verfahren ist insofern als ein Gegenpol zu lokalen Diskursen zu sehen, in denen die Täter von ihrer Verantwortung „freigesprochen“ werden. Man kann den „Fall Guben“ über den konkreten Prozess und die Urteile hinaus als Beispiel dafür verstehen, welche Möglichkeiten ein Gericht im Umgang mit rassistisch motivierten Taten hat und welche nicht, welche Wirkungen es erzielen kann, welche Erwartungen von außen herangetragen werden und welche Erwägungen die Wahrnehmung und das Handeln der Beteiligten prägen. Weiterlesen →

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=723 http://www.re-guben.de/?p=723#comments Thu, 12 Dec 2013 22:11:39 +0000 http://www.re-guben.de/?p=723 Den 15. Todestag von Farid Guendoul verstreichen zu lassen, ohne ein Statement abzugeben, hätte bedeutet, dass niemand in der Öffentlichkeit an ihn erinnert. Seine Familie in Algerien wird im kommenden Februar wahrscheinlich an ihn denken. Eine Handvoll Gubener_innen würde wie jedes Jahr am Gedenkstein ein paar Blumen niederlegen. Seine damalige Freundin, die seine Tochter geboren hat, wird ihn nicht vergessen haben. Die Lokalausgabe der Lausitzer Rundschau würde zwei oder drei Zeilen, vielleicht ein Bild abdrucken. Darüber hinaus gäbe es Schweigen. Ein Schweigen, dass der Mehrheitsgesellschaft in Guben gefallen würde, die nicht nur fragt, was sie mit einem Ereignis zu tun hat, dass fünfzehn Jahre zurück liegt, sondern auch, warum immer nur an das Negative erinnert wird. Guben habe schließlich inzwischen eine schöne Innenstadt, moderne Umgehungsstraßen und kann auf Verbesserungen auf dem lokalen Arbeitsmarkt verweisen.

Als wir uns dieses Szenario im Frühjahr des vergangenen Jahres auf einem Balkon in Berlin vor Augen führten, war uns klar, dass wir mit einem solchen Verlauf unzufrieden sein werden. Es sind nicht nur die Täter und ein Dutzend Nazis in Guben, die das Problem darstellen. Wenn in der sächsischen Kleinstadt Schneeberg an Wochenenden im November 2013 mehr als 1.000 Neonazis und rassistische Bürger_innen gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende demonstrierten, dann überrascht mich das nicht. Es ist Rassismus, der in Kleinstädten wie Schneeberg so viele Menschen auf die Straßen treibt, wie zuletzt 1989 zur sogenannten friedlichen Revolution. Und ihr Ruf „Wir sind das Volk!“ ist nur konsequent. Das, was mich daran aber wirklich empört, sind 12.000 Schneeberger_innen, die an einem solchen Tag einfach zu Hause bleiben, die wegschauen und einen solchen Aufmarsch ignorieren und sich nicht gegen die Rassist_innen vor ihrer Haustür positionieren. Solange es die Gubener_innen nicht hinbekommen, einen Umgang mit dem tödlichen Rassismus und dem Gedenken an den getöteten Farid Guendoul in ihrer Stadt zu finden, ist jederzeit der richtige Zeitpunkt darauf zu reagieren und ihnen einen Spiegel vor die Nase zu halten. Guben ist nicht anders als Schneeberg, Hoyerswerda oder Mügeln. Wenn niemand von außen kommt, der die Realität sichtbar macht, dann wird sich auch niemand für sie interessieren.

 

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=721 http://www.re-guben.de/?p=721#comments Thu, 12 Dec 2013 22:11:18 +0000 http://www.re-guben.de/?p=721 Die traurige Bilanz der vergangenen 23 Jahre: 27 Todesopfer in Folge rechter Gewalt allein in Brandenburg. Farid Guendoul war einer von ihnen. Sein Todestag jährt sich am 13. Februar 2014 zum fünfzehnten Mal. Viel Zeit ist also seit der sogenannten Hetzjagd von Guben vergangen. Viel Zeit, die zu Veränderungen hätte führen können. Im Kontext des Umgangs mit Opfern rechter Gewalt gilt: viel Zeit, in der sich hätte mehr verändern müssen. Aber damals wie heute lautet der Wunsch der Gubener Bevölkerung, „Gras über die Sache wachsen zu lassen“. Und damals wie heute ist dieser Wunsch moralisch hochgradig verwerflich.

Optisch hat sich in Guben in den vergangenen 15 Jahren einiges getan. Ja, es ist fast hübsch geworden, nur leben will dort kaum noch wer. Die kleine Stadt an der Neiße hat mittlerweile nur noch knapp 18.000 Einwohner. Gerade die Jüngeren nutzen Chancen, die Stadt zu verlassen. Daher ist der Anteil, der unter 25 Jährigen, hier nur noch gering. Nun sind es gerade die jungen Menschen, die gesellschaftliche Prozesse in Frage stellen und die durch Kreativität sowie dem Willen sich auszuprobieren, einer Stadt das „gewisse Etwas“ verleihen. Guben hat dies nicht.

Zähneknirschend schaue ich heute auf diese Stadt. Einer Stadt, in der das Erleiden von Rassismus für mich Alltag bedeutete. Ein alltäglicher Rassismus, der in der Gubener Bevölkerung nicht der Rede wert zu sein scheint, auch nicht, nachdem er ein Menschenleben forderte. Schön sanierte Plattenbauten und ein neuer Stadtkern trüben diese Erinnerungen nicht – denn ich erinnere mich.

Die Frage nach dem „warum jetzt“ stellt sich für mich nicht. Ganz im Gegenteil: Das Erinnern an Farid Guendoul, die Auseinandersetzung mit den Themen Rechtsextremismus und Rassismus ist für mich selbstverständlich und sollte es auch für die Gubener Bevölkerung sein. Doch die ältere Generation ist das Thema in ihrer Stadt leid und die jüngere Generation der Gubener, welche keine eigene Erinnerung an die Tatnacht haben, sondern nur wiedergeben kann, was an Erinnerungen an sie herangetragen wurde, hinterlässt den Eindruck, als würde es ein anderes Guben geben, „wo mal son Ausländer durch ne Scheibe gesprungen ist“. Von Erinnerungskultur scheint in Guben keine Spur zu sein.

 

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=718 http://www.re-guben.de/?p=718#comments Thu, 12 Dec 2013 22:10:58 +0000 http://www.re-guben.de/?p=718 Am 13. Februar 2014 werden 15 Jahre seit dem gewaltsamen Tod Farid Guendouls vergangen sein. 15 Jahre, in denen man hätte vergessen können, was in jener Nacht geschah. Oder sogar 15 Jahre, in dessen Zuge man vergessen sollte, was in jener Nacht geschah. Dass diese Paraphrase so oder so ähnlich durchaus die Meinung eines gewissen Teils der Gubener Bevölkerung wiederspiegelt, verwundert leider nicht. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen eine solche Schlussfolgerung nahe liegen. Ob zum zehnten oder fünften Todestag Farid Guendouls, der Ruf, „die Sache“ endlich ruhen zu lassen und als „tragisches Unglück“ abzuhaken war stets zu vernehmen. Selbst einige Tage bzw. Wochen nach der Tat erschien nicht wenigen die Berichterstattung als „übertrieben“ oder gar „unnötig“. Schließlich war es ja nur eine Nacht, eine Tat, ein Toter, der ja nicht stellvertretend für die Stadt Guben und deren Bevölkerung stehen darf und kann.

Warum jetzt? – Damit auch knapp 15 Jahre später diesen Meinungen etwas entgegengesetzt wird; damit auch 15 Jahre später rassistische Morde nicht in Vergessenheit geraten und die Notwendigkeit eines aktiven Gedenkens aufgezeigt wird. Und das auch über die Stadtgrenzen Gubens hinaus. Denn geändert hat sich seit dem Tod Farid Guendouls nichts. Mindestens 80 Menschen in der Bundesrepublik wurden nach Angaben von CURA seitdem von (Neo-)Nazis ermordet, allein zehn davon im Land Brandenburg. Das Erinnern und Mahnen vor menschenverachtender Ideologie und ihren tödlichen Folgen ist stets notwendig – auch 15 Jahre später!

 

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Warum jetzt? http://www.re-guben.de/?p=716 http://www.re-guben.de/?p=716#comments Thu, 12 Dec 2013 22:10:32 +0000 http://www.re-guben.de/?p=716 Braucht Erinnerung einen bestimmten Zeitpunkt? Es scheint so, bedenkt man die öffentlichen Rituale an Gedenktagen. Die Auswahl so eines Tages ist Teil des Erinnerungsprozesses. Zu jedem Jahrestag oder – mit mehr zeitlichem Abstand zum Geschehen – in längeren Zyklen von 5 oder 10 oder 25 Jahren steht die Entscheidung: wir erinnern. Zugleich ordnet sie das Vergessen – die Vergangenheit ist nicht an jedem Tag des Jahres präsent; sie bestimmt nicht das Alltagsleben. Ein Gedenktag macht deutlich, dass das, woran erinnert wird, zurück in der Zeit liegt und abgeschlossen ist.

Neben einer solchen bewussten Auswahl hat Erinnerung immer einen Zeitpunkt, bestimmt durch das Jetzt, die vergangene Zeit und die Veränderungen darin. Wer kann sich noch erinnern und wer will öffentlich erinnern? Wie hat sich die Erinnerung selbst entwickelt? Wie ist das gegenwärtige Verhältnis einer Gesellschaft, eines Gemeinwesens oder einer Gruppe von Menschen zu dem Geschehen in der Vergangenheit? Welche Bedeutung wird ihm heute beigemessen? Von diesen Bedingungen hängt auch die Entscheidung für oder gegen ein öffenliches Erinnern ab. (Die ritualisierten Gedenktage sind so gesehen keine Selbstverständlichkeit.)

RE:GUBEN hat sich meines Erachtens für ein Dazwischen entschieden. Der 13. Februar 2013 und der 13. Februar 2014 markieren Anfang und Ende des Projekts. Es ist bewusst der Todestag Farid Guendouls gewählt, aber über ein Ritual hinaus soll auch daran erinnert werden, was sich aus dem Vergangenen entwickelt hat und was heute fortwirkt.

Warum jetzt? Als Grund dafür, dass es genau dieses Jahr ist, mag vielleicht erscheinen, dass die 15. Wiederkehr des Todestages eine besondere Zeitmarke in Guben darstellt. Vielmehr ist allerdings absehbar, dass der 13. Februar 2014 für eine Mehrheit genau das nicht sein wird. Freunde und Familie des Toten sind aus Guben weggegangen; ebenso viele, die in Folge der „Hetzjagd“ 1999 versuchten, sich in der Stadt zu engagieren. Kommunale Politiker haben es zum überwiegenden Teil geschafft, sich knapp 15 Jahre einer öffentlichen Erinnerung zu verweigern. Der eine oder andere hat sie öffentlich torpediert. Für viele Leute, die heute in Guben leben, liegen die damaligen Ereignisse weit entfernt, zurückgelassen. Heutige Jugendliche konnten sie selbst gar nicht bewusst wahrnehmen. Tradiert wurden allenfalls die noch immer abrufbaren Meinungen.

 

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„Die Nacht ist immer noch präsent“ http://www.re-guben.de/?p=699 http://www.re-guben.de/?p=699#comments Thu, 12 Dec 2013 21:28:28 +0000 http://www.re-guben.de/?p=699
Lukas A.* war seit Ende der 1980er Jahre in der Gubener Antifa aktiv.
Mittlerweile hat er die Stadt verlassen. Im Interview mit Friedrich Burschel spricht er über die Anfänge der Neonazi-Szene in Guben, den 13. Februar 1999 und das Gedenken an die Tat.

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* Name von der Redaktion geändert

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Video: Die Diskussion um die Erinnerung http://www.re-guben.de/?p=707 http://www.re-guben.de/?p=707#comments Thu, 12 Dec 2013 21:28:02 +0000 http://www.re-guben.de/?p=707 Der TV- und Videojournalist Ben Arnold war für die Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg in Guben unterwegs und hat Menschen auf der Straße nach ihren Eindrücken und Vorstellungen von der Stadt gefragt. Ein Thema waren auch die Ereignisse vom Februar 1999, die Erinnerung an Farid Guendoul und die Wahrnehmung von Rechtsextremismus. Daraus ein entstand ein kurzer Videoclip, der die verschiedenen Positionen in Guben wiedergibt und den wir hier zeigen können. Der Film entstand im Projekt “Mosaik – Märkische Orte für soziale, arbeitsmarktpolitische und interkulturelle Kompetenz” der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.

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#BTW13 in Guben: Zugewinne für NPD, aber nicht mehr Prozente http://www.re-guben.de/?p=687 http://www.re-guben.de/?p=687#comments Sun, 22 Sep 2013 20:53:54 +0000 http://www.re-guben.de/?p=687 Die Stadt Guben stellt die (vorläufigen) Endergebnisse für Erst- und Zweitstimmen zur Bundestagswahl, aufgeschlüsselt nach Wahllokalen zur Verfügung, und so haben wir nachgesehen, wie die NPD abgeschnitten hat. Eine ausführliche Analyse der vergangenen Wahlen haben wir bereits veröffentlicht. Einige Thesen daraus bestätigen sich.

Zur Bundestagswahl 2013 erzielte die NPD in Guben mit ihrem Kreisvorsitzenden Ronny Zasowk 4,7% der Erstimmen sowie 3,9% der Zweitstimmen – 2009 waren es 4,7% und 4,2%. Dabei gewann sie in absoluten Zahlen Stimmen hinzu. Für den Direktkandidaten votierten 451 Wähler (2009: 402), 379 Wähler gaben ihre Zweitstimme (2009: 357). Aufgrund einer insgesamt höheren Wahlbeteiligung wirken sich diese Zuwächse nicht in einer prozentualen Steigerung aus.

Ein Grund für den geringeren Anstieg bei den NPD-Zweitstimmen könnte im Abschneiden der Alternative für Deutschland (6,9%) liegen. Wahlanalysen zufolge hat die AfD Wähler aus allen Parteilagern angesprochen. Mit der NPD stand sie allerdings in direkter Konkurrenz in Bezug auf eine Anti-Euro-Politik.

Generell lässt sich festhalten, dass die NPD in Guben eine stabile Wählerschaft hat und sie in der Lage war, diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszubauen – nicht ein paar „fehlgeleitete Jugendliche“, sondern Wähler, die sich mit der Partei identifizieren können. Daneben erscheint es vielmehr so, dass die NPD es kaum geschafft hat, zusätzlich eine „Protestwähler“-Klientel für sich zu mobilisieren.

Wie in der Vergangenheit sind die NPD-Ergebnisse in den einzelnen Wahllokalen der Stadt unterschiedlich ausgefallen. Die Spitze bildete wie gehabt das Wahllokal im „Kulturzentrum Obersprucke“, wo die NPD 8,9% Erst- und 6,7% Zweitstimmen holte. Im Vergleich mit dem Landkreis Spree-Neiße ist das Gubener NPD-Ergebnis mittlerweile im Durchschnitt. In einigen Orten im Kreis konnte die NPD im Vergleich zu früheren Wahlen ihre Ergebnisse stärker ausbauen. Im Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße insgesamt sind die Gubener Zahlen über dem Durchschnitt.

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„Eine politisch motivierte Tat kann nicht ausgeschlossen werden“ – Über das Unbehagen mit der Mutmaßung http://www.re-guben.de/?p=683 http://www.re-guben.de/?p=683#comments Mon, 02 Sep 2013 16:08:57 +0000 http://www.re-guben.de/?p=683 „Die Sachverständige Prof. John hat außerdem angeregt, eine Neudefinition von fremdenfeindlichen Straftaten vorzunehmen. Diese Neudefinition solle Ermittlungen gegen Rechtsextremismus als Standardaufgabe bei Gewalt gegen Einwanderer etablieren. Die Polizei erkenne fremdenfeindliche Straftaten bisher nur, wenn entsprechende Symbole aufgetaucht seien, wie Hakenkreuze, Bekennerschreiben etc. Deshalb müsse das Prüfen auf einen rechtsextremistischen Bezug als Standardermittlung bei Gewalt gegen Einwanderer eingeführt werden.“ (Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes, S. 828)

Wenn ich im Folgenden über zwei nicht aufgeklärte Gewalttaten in Guben schreibe, die im April und im Juli 2013 verübt wurden, kann ich nichts Belastbares über ihre Hintergründe sagen. Ich kenne sie nicht und die Polizei kann dahingehend keine Ermittlungsergebnisse vorweisen. Gleichwohl stelle ich Spekulationen in den Raum. Sie sollen hier aber nicht das eigentliche Thema sein. Vielmehr geht es um die Möglichkeit extrem rechter Motive, den Umgang damit und das Unbehagen mit der fehlenden Antwort auf die Frage, was geschehen ist.

Ein abgebrannter Imbissstand

In einer ersten Polizeimeldung vom 22. April 2013 hieß es kurz: „Feuerwehr und Polizei wurden nach einem Anruf gegen 01:25 Uhr am Montag in die Damaschkestraße gerufen. Auf dem dortigen Parkplatz stand ein seit kurzem nicht mehr genutzter Imbissstand in Flammen. Personen oder andere Gebäude waren nicht in Gefahr. Zur Schadenshöhe gibt es keine Erkenntnisse. Die Kriminalpolizei ermittelt zur Brandursache.“ Am 24. April schrieb die Lausitzer Rundschau: „Die Ermittlungen der Kriminalpolizei zu der Brandstiftung am Imbissstand in der Damaschkestraße haben ergeben, dass unbekannte Täter vor dem Brand gewaltsam in den Imbiss eingedrungen waren. Die genaue Brandursache ist noch nicht bekannt. Es liegen keine Erkenntnisse vor, die auf eine politisch motivierte Tat hindeuten können, ausgeschlossen werden kann sie jedoch auch nicht, teilt die Polizei mit.“

Offenbar ging es bei dieser Tat um die Zerstörung des Imbiss-Häuschens auf dem Kaufland-Parkplatz. Gegenüber auf der anderen Seite der Damaschkestraße steht ein Wohnblock, in dem viele potenzielle Zeugen leben, die aber zur nächtlichen Tatzeit offenbar nichts bemerken konnten. Zum Motiv der Tat kann die Polizei nichts sagen. Der oder die Täter haben keine Hinweise hinterlassen und so kommen selbstverständlich verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Warum weist der Bericht dann explizit darauf hin, dass eine politisch motivierte Tat nicht ausgeschlossen werden könne? Ein Detail fehlt im Polizeibericht und in der Zeitungsmeldung – es handelte sich um einen Döner-Imbiss.

Abgebrannter Imbiss, April 2013

Abgebrannter Imbissstand, April 2013

Thomas Bürk und Beate Selders haben 2004 in einer Studie fremdenfeindliche und rechtsextreme Anschläge auf Imbissbuden im Land Brandenburg untersucht. Sie kamen unter anderem zu dem Ergebnis, dass es sich in Polizeimeldungen zu Imbissen im Fall von Vandalismus immer um Asia- oder Döner-Imbissbetriebe handelte (S. 57). Außerdem stellten sie in einer ihnen damals vorliegenden Dokumentation von Brandstiftungen an Asia- und Döner-Imbissen fest, dass in allen aufgeklärten Fällen die „Täter aus rechtsradikalen Szenen und deren Umfeld“ kamen (S. 77f.). Sagt die Statistik etwas über den Einzelfall? Nein. Aber sie zeigt ein Muster auf und nährt damit eine Vermutung. Im konkreten Fall tun die zeitliche Nähe der Tat zum 20. April und der Umstand, dass in dem Zeitraum die Gubener Nazi-Szene einmal mehr mit Propaganda-Aktionen aktiv war, ihr Übriges.

Im Juni hat der Gubener Stadtverordnete Peter Stephan (Die Linke) bei der Polizei nachgefragt. Die Polizeiinspektion Cottbus/Spree-Neiße teilte daraufhin mit, dass bislang keine Täter ermittelt werden konnten und es keine Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv gebe. Parallel bekam RE:GUBEN von der Staatsanwaltschaft Cottbus die Auskunft, dass ein rechtsmotivierter Hintergrund nicht ausgeschlossen werden könne. Der Stand im Sommer 2013 war also wie zuvor: Imbissstand abgebrannt, Täter und Motiv unbekannt, Raum für Spekulationen.

Überfall an der Neiße

Am 10. Juli 2013 meldete die Lausitzer Rundschau: „Geschlagen und in die Neiße gestoßen wurde bereits am vergangenen Samstag ein Mann. Das berichtete die Polizei am gestrigen Dienstag. Der Vorfall ereignete sich zwischen 19.50 und 20.05 Uhr auf der Holzbrücke an den Neißeterrassen. Den Angaben zufolge näherten sich drei männliche Personen dem Geschädigten, einer schlug ihn mehrmals mit Fäusten ins Gesicht und stieß ihn dann in den Grenzfluss. Beobachtet wurde die Körperverletzung von mehreren auf Bänken sitzenden Jugendlichen. Die drei deutsch-sprechenden Täter sind etwa 30 bis 35 Jahre alt und zwischen 170 und 180 Zentimeter groß.“ Auch hierzu hat RE:GUBEN nachgefragt und von der Staatsanwaltschaft im Juli die Antwort bekommen: Rechtsmotivierter Hintergrund nicht ausgeschlossen. Aber eben auch nicht bestätigt.

Warum kann man in diesem Fall mutmaßen? Folgt man dem Polizeibericht, ging es ausschließlich um Gewalt, es handelte es sich nicht um einen Raub oder ähnliches. Es war offenbar keine Beziehungstat, Täter und Opfer müssen sich dem Bericht nach unbekannt gewesen sein. Die Tat wurde demnach spontan, brutal und aus einer Gruppe heraus ausgeführt. Das Muster spricht für geübtes Gewalthandeln. Wer fällt einem da als Tätergruppe, männlich, Anfang 30, in Guben ein? Auffällig ist, dass der Bericht über das Opfer keine Informationen gibt. Das dient möglicherweise dessen Schutz, verhindert aber auch, dass man aus der Person des Opfers Rückschlüsse auf die Motivation der Täter, etwa spezifische Feindschaften, ziehen kann. Wiederum Raum für Spekulation. Ein Mann wird zusammengeschlagen und in die Neiße gestoßen. Warum?

Nicht-Wissen

Wo liegt nun das Problem? Die Polizei kann nur das mitteilen, was sie in ihren Ermittlungen herausfindet. Wenn die Täter keine verwertbaren Spuren hinterlassen haben und sich erst recht nicht zu der Tat bekannt haben, wenn es keine Zeugen gibt oder sie sich nicht melden, was sollte die Polizei anderes sagen als, dass das Motiv unbekannt ist und sie nichts ausschließen kann? Solange die beiden Fälle nicht aufgeklärt sind, bleibt objektiv ein Nicht-Wissen. Insofern wäre es ein Fehler, den Taten zum Beispiel einen fremdenfeindlichen Hintergrund zuzuschreiben. Vielleicht lässt er sich zu einem späteren Zeitpunkt ausschließen, vielleicht wird er bestätigt. Wenn dies nicht passiert, muss man mit Mutmaßungen leben, wie es gewesen sein könnte, weil man aus Erfahrung Muster erkennt.

Darüber hinaus ist allerdings, nicht nur in den beiden genannten Fällen, auch festzustellen, dass in den Polizeiberichten Informationen fehlen. Es wurde beispielsweise nicht von einem Döner-Imbiss gesprochen. Würde ein Hinweis darauf die öffentliche Meinung im Fall einer Brandstiftung zu bestimmten, nicht belegbaren Schlussfolgerungen führen? Vielleicht. Andererseits dürfte zumindest einigen Gubenern klar sein, um welchen Imbiss es sich handelte. Die Strategie des Nicht-Redens lässt sich auch in den Polizeiberichten zu Parolen finden, die in der Obersprucke im Mai und im August 2013 mit Kreide geschrieben wurden. Nur aus dem Kontext war ein extrem rechter Hintergrund zu schließen – es sind jeweils relevante Daten für die Nazi-Szene. Zeitgleich tauchte zum 8. Mai ein Graffiti gegenüber des Pieck-Monuments auf, das heute übrigens immer noch zu lesen ist. Im August wurden Rudolf-Hess-Plakate geklebt. Da diese Aktionen in den Polizeimeldungen außen vor blieben und kein politisches Motiv benannt wurde, muss man sich mit Interpretationen behelfen. Welche Art von Kreideschreibereien ist es wert, dass die Polizei Ermittlungsverfahren einleitet und darüber berichtet?

Es gehört zu Polizeiarbeit in einem Rechtsstaat, vorurteilsfrei und unvoreingenommen zu ermitteln. Das heißt auch, in alle Richtungen zu ermitteln. Dass dies nicht immer geschieht, hat zumindest der NSU-Untersuchungsausschuss mit der eingangs zitierten Anregung wahrgenommen. Daneben kommt der Polizei aber auch eine wichtige Rolle im öffentlichen Diskurs zu. Was und wie sie über Straftaten berichtet, prägt die öffentliche Wahrnehmung.

Was tun mit der Dunkelziffer?

Der Umgang mit der Dunkelziffer, mit Straftaten, die nicht er- oder bekannt werden, ist aber nicht nur eine Herausforderung für die Polizei. Auch die Öffentlichkeit hat ein Interesse am Wissen insbesondere über Taten, die das Zusammenleben in einem Gemeinwesen treffen, zumindest sollte sie es haben (nicht nur im Fall gestohlener Autos und Fahrräder). Sie ist damit nicht angehalten, Polizeiarbeit zu übernehmen, auch nicht aufgrund von Mutmaßungen Urteile zu fällen. Sie kann aber immer wieder nachfragen, wie oben genannt in der Stadtverordnetenversammlung. Lokale Medien sind dahingehend ebenso gefordert, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wesentlich ist das Interesse selbst, auch wenn den Antworten Grenzen gesetzt sind.

Wichtiger als Fragen an die Polizei erscheint dabei das Interesse an den Betroffenen von Gewalttaten. Was ist ihnen widerfahren, was sind die Folgen für sie, wie können sie damit umgehen, wie bewerten sie Angriffe? Ihre Perspektive fehlt zumeist in der öffentlichen Wahrnehmung. Eine Verschiebung der Aufmerksamkeit, weg von den unbekannten Tätern, bietet dagegen die Chance, sich mit Menschen und ihrem konkreten Erleben auseinanderzusetzen. Dass regional verankerte Beratungs- und Kommunikationsstrukturen, die sich um die öffentliche Vermittlung eben dieser Perspektive bemühen, faktisch fehlen, trägt letztlich auch zu dem bestehenden Diskurs-Defizit bei. Die Anregung, solche Strukturen auf- und auszubauen, ist übrigens auch im Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses zu finden.

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Wahlergebnisse der NPD in Guben http://www.re-guben.de/?p=677 http://www.re-guben.de/?p=677#comments Fri, 30 Aug 2013 12:45:39 +0000 http://www.re-guben.de/?p=677 Wer jetzt die Ergebnisse der Bundestagswahl erwartet, wird enttäuscht werden: Wir können nicht in die Zukunft sehen – hier heißt es: Vor der Wahl ist nach der Wahl. Es geht um die Frage, wie die NPD bei den letzten Wahlen, den Kommunalwahlen 2008, der Landtagswahl 2009 sowie der Bundestagswahl 2009, in Guben abgeschnitten hat. Bei den Kommunalwahlen erlangte die NPD zwei Mandate für den Kreistag Spree-Neiße und ein Mandat für die Gubener Stadtverordnetenversammlung (SVV).

Die prozentualen Ergebnisse waren:

  • Wahl zur SVV Guben 2008: 4,3%,
  • Wahl zum Kreistag Spree-Neiße 2008: 4,8%,
  • Wahl zum Landtag 2009: 4,1% nach Erststimmen, 4,0% nach Zweitstimmen,
  • Wahl zum Bundestag 2009: 4,7% nach Erststimmen, 4,2% nach Zweitstimmen.

Bei der Kreistagswahl erzielte die NPD damit in Guben ein leicht überdurchschnittliches Ergebnis im Vergleich mit dem gesamten Landkreis (NPD 4,0%). Das Ergebnis der Landtagswahl lag in Guben deutlich über dem Landesdurchschnitt (NPD Zweitstimmen Brandenburg 2,6%, Spree-Neiße 3,6%), ebenso bei der Bundestagswahl. Die Wahlbeteiligung in Guben lag für die SVV-Wahl bei 50,3% und für die Kreistagswahl bei 42,9%.

Bei der Landstagswahl entschieden sich damit in Guben 340 (Erststimmen) bzw. 349 (Zweitstimmen) Wähler für die NPD, bei der Bundestagswahl waren es 402 (Erststimmen) bzw. 357 (Zweitstimmen). Für die Kommunalwahlen lässt sich das nicht mit Sicherheit bestimmen, da dort jede Person jeweils drei Stimmen hatte, die einem Kandidaten gegeben oder auf mehrere Kandidaten verteilt werden konnten. Bei der SVV-Wahl bedeuteten die 4,3% 1094 Stimmen, bei der Kreistagswahl resultierten die 4,8% aus 1050 Stimmen. Realistisch erscheint, dass die Zahl der NPD-Wähler bei den Kommunalwahlen ähnlich zur Landtags- und zur Bundestagswahl war und im Bereich von mindestens 350 bis etwa 400 lag. Zumindest für die SVV-Wahl ergibt sich rechnerisch, dass die NPD nicht in allen Fällen drei Stimmen ihrer Wähler erhalten hat.

Für die Wahl zur SVV liegen die Ergebnisse der einzelnen Gubener Wahllokale vor, so dass man feststellen kann, dass die NPD nicht in allen Stadtteilen gleichermaßen gewählt wurde. Es waren im Wesentlichen die Wohnkomplexe (WK) Obersprucke und Reichenbacher Berg, zusammen der bevölkerungsreichste und zugleich problembeladenste Stadtteil, in denen die NPD überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte, in einem Wahllokal in der Obersprucke waren es 8,5%. Auch ein Wahllokal in der Altstadt verzeichnete einen überdurchschnittlichen Wert. Im WK I lagen die Ergebnisse meist unter der Durchschnittszahl der Stadt. Auffällig war, dass die NPD in den durchaus noch dörflich geprägten Ortsteilen Kaltenborn (1,5%) und Bresinchen (1,7%) schlecht abschnitt, ebenso bei der Briefwahl (2,2%).

Für einen regionalen Vergleich bieten sich zum Beispiel die NPD-Ergebnisse der Spree-Neiße-Kreistagswahl in den Städten Guben, Spremberg und Forst an. Ihre Einwohnerzahlen bewegen sich jeweils an der Grenze von Klein- und Mittelstadt. Zusammen lebt in ihnen die Hälfte der Wahlberechtigten im Landkreis Spree-Neiße. In Guben erzielte die NPD bei der Kreistagswahl wie schon dargestellt 4,8% (1050 Stimmen), in Spremberg waren es 4,5% (1220 Stimmen) und in Forst 3,4% (636 Stimmen). Relevant werden diese Zahlen in einem Vergleich der Städte. Ohne das hier umfangreich darzustellen, lässt sich doch festhalten, dass die Stadt Spremberg zum Beispiel mit ihren Energieindustrieansiedlungen wirtschaftlich besser aufgestellt ist als Guben, die NPD dort aber ein ähnliches Ergebnis erreichte. In Forst, in ähnlicher Weise wie Guben von Deindustrialisierung, Abwanderung und anderen Problemen betroffen, erhielt die NPD weniger Stimmen. Eine mögliche Erklärung – die zu untersuchen wäre – liegt in Aspekten der politischen Kultur in den Städten, welche politischen Traditionen eine Stadt hat, wie sie zum Beispiel Jugendarbeit gestaltet und letztlich wie sie mit der NPD und rechtsextremen Entwicklungen umgeht. Festzuhalten ist aber auch, dass sich in Forst mit einer Beteiligung an der Kreistagswahl von 36% deutlicher Zeichen einer generellen politischen Desintegration zeigten. (Der Vergleich der Wahlbeteiligungen in den Städten zeigt übrigens, dass nicht allgemein gelten kann, dass die NPD bei höherer Wahlbeteiligung schlechter abschneidet.)

Interessant ist zuletzt natürlich noch die Frage, in welchen sozialen Gruppen die NPD in Guben Anklang findet. Weil dazu für die Stadt keine statistischen Angaben vorliegen, kann es dazu keine genaue Antwort geben. Für die Landtagswahl 2009 existiert immerhin eine repräsentative Erhebung der NPD-Ergebnisse in Alters- und Geschlechtergruppen bezogen auf das gesamte Land Brandenburg (die Daten basieren auf einer Umfrage; daher die minimale Abweichung zum reellen Endergebnis).

LTW BB 2009

Auch für die Bundestagswahl 2009 gibt es eine solche Erhebung für Brandenburg mit nur minimal unterschiedlichen Prozentangaben, der gleichen Verteilung und derselben Grundaussage. Die Statistik sagt, dass die NPD bei Männern höhere Ergebisse erzielt als bei Frauen und dass die Partei in jüngeren Altersgruppen besser abschneidet – zusammengefasst: Die NPD kommt besonders bei jüngeren Männern an. Das könnte auch in Guben so zutreffen. Dieser Versuch, sich über die Brandenburg-Statistik an die Situation in der Stadt anzunähern, wirft allerdings weitere Fragen auf, zum einen weil das Wahlergebnis der NPD in Guben höher war als im Landesdurchschnitt, zum anderen weil auch die Sozialstruktur Gubens vom Landesdurchschnitt abweicht.

Legt man die statistische Verteilung in den Alters- und Geschlechtergruppen zugrunde und nimmt man an, dass die Ergebnisse in Guben in allen Gruppen gleichermaßen höher waren, kommt man zu dem Schluss, dass im Durchschnitt der Stadt deutlich über 10% der 18- bis 35-jährigen Männer NPD gewählt haben müssten. Zieht man dazu die detaillierten Ergebnisse der SVV-Wahl heran, gelangt man zu der Überlegung, dass – insbesondere in dieser Gruppe – die NPD in einzelnen Quartieren (bis zu 8,5% im Schnitt für alle Alter und Geschlechter) noch einmal höhere Zustimmung erhalten haben müsste.

Guben unterscheidet sich aber vom Land Brandenburg insgesamt darin, dass der Altersdurchschnitt der Einwohner, besonders in der Obersprucke, höher ist. Wo es weniger junge Leute gibt, ist rechnerisch betrachtet auch ihr Einfluss auf das Gesamtwahlergebnis geringer. Das heißt, dass die Proportionen der Brandenburg-Statistik zu Alters- und Geschlechtergruppen nicht einfach übertragbar sind und sich die Verteilung in den einzelnen Gruppe in Guben unterscheidet. Es liegt der Schluss nahe, dass es in Guben Alters- und Geschlechtergruppen gibt, in denen die NPD Ergebnisse erzielt, die deutlich nach oben vom Brandenburg-Durchschnitt abweichen.

Zusammengefasst lässt sich also, wenig überraschend, sagen: Die NPD wurde in Guben gewählt. Die Ergebnisse für die Partei bei den letzten Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen lagen in der Stadt zwischen 4% und knapp 5%. Die Zahlen waren ähnlich zu denen in einigen anderen Gemeinden, lagen aber auch leicht bis deutlich über regionalen und überregionalen Durchschnittswerten. Die höchsten Stimmanteile holte die NPD in Guben, etwas klischeehaft, in zwei Plattenbausiedlungen der 60er, 70er und 80er Jahre. Dass aber nicht nur soziale Problemlagen als Erklärung herangezogen werden sollten, sondern zum Beispiel auch Aspekte der politischen Kultur, macht der Vergleich mit anderen Städten in der Region deutlich. In absoluten Zahlen hat die NPD in Guben jeweils ca. 350 bis 400 Wähler mobilisieren können. Ob das viele oder wenige sind, liegt im Auge des Betrachters; in Guben waren es eben zwischen 4% und 5% der Wähler. Die gelegentliche Behauptung, dass es sich um ein paar „verirrte Jugendliche“ handelte, ist – auch angesichts der Zahl – eine realitätsferne Legende. Überhaupt sprechen einige Wahluntersuchungen dafür, dass die NPD generell weniger „Protestwähler“ anspricht, sondern über eine relativ feste Stammwählerschaft verfügt. Die ähnlichen Zahlen der verschiedenen Wahlen in Guben, auch wenn sie zeitlich nah beieinander lagen, scheinen diese Tendenz zu bestätigen. Das heißt, in Guben haben sich regelmäßig 350 bis 400 Wähler für eine Partei entschieden, die offen völkisch und ausländerfeindlich auftritt und deren lokale Akteure zum Teil in Verbindung zu Gewaltstraftaten und Propagandadelikten gebracht wurden. Wie sich die Gruppe dieser Wähler zusammensetzt, lässt sich nicht sicher bestimmen. Die rechnerischen Überlegungen weisen aber darauf hin, dass man der Frage nachgehen müsste, welche Wahlergebnisse die NPD zum Beispiel bei jüngeren Männern in der Obersprucke erzielte.

Über ihre Wähler könnte man zudem etwas über die politische Bedeutung der NPD erfahren. Drei Kommunalmandate sind das eine. Auch wenn die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten gering und die Fähigkeiten der Abgeordneten teils recht limitiert sind, tragen sie zur Stabilisierung der NPD-Arbeit in der Region bei. Der andere und vielleicht bedeutendere Punkt ist, wie sich 350 bis 400 NPD-Wähler abseits der Wahlen im Alltagsleben einer Stadt bemerkbar machen.

Wie die Ergebnisse der nächsten Bundestagswahl in Guben aussehen, wird der 22. September zeigen. Im Vergleich zu früheren Wahlergebnissen könnten einige Faktoren Einfluss haben, etwa die Mobilisierungsfähigkeit der NPD, politische Konkurrenten, aktuelle Stimmungslagen oder soziale und politische Entwicklungen in Guben in den letzten Jahren. Dass die NPD nicht in den Bundestag einzieht, gilt als recht wahrscheinlich. Am Ergebnis in Guben werden sich zumindest Thesen überprüfen lassen. Es könnte auch eine Tendenz für die Kommunalwahlen und die Landtagswahl 2014 aufzeigen. Der gegenwärtige regionale Wahlkampf der NPD zielt jedenfalls jetzt schon auf diese Termine.

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