RE:GUBEN » Bericht http://www.re-guben.de fragt nach den Folgen des Todes Farid Guendouls, der am 13. Februar 1999 auf der Flucht vor einer Gruppe Neonazis in Guben starb. Was geschah in jener Nacht? Wie wurde mit der Tat umgegangen? Wie kann Gedenken gestaltet werden? Wie reagieren Politik und Gesellschaft? Fri, 02 May 2014 16:27:31 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8 Das Übliche – April/Mai 2013 http://www.re-guben.de/?p=468 http://www.re-guben.de/?p=468#comments Fri, 10 May 2013 21:19:20 +0000 http://www.re-guben.de/?p=468 27. April 2013

Sonnabend, Obersprucke, am Monument. Der PR-affine Teil des Gubener NPD-Ortsbereichs stellt einmal mehr seinen Tapeziertisch auf und präsentiert sich mit einem Infostand. Das Wetter ist schlecht, der Sonnenschirm deplatziert. Der NPD-Kreistagsabgeordnete Karsten Schulz und ein paar andere versuchen, ihre Flyer an die Leute zu bringen.

Derartige Auftritte von Schulz erwecken den Eindruck, dass er wiedergewählt werden und bis dahin in Erinnerung bleiben möchte. Mit dem Thema des Infostandes „Raus aus der EU und Grenzen dicht! Für die Sicherheit unserer Bürger!“ ist jedenfalls ein wesentliches NPD-Thema der kommenden Wahlkämpfe in Guben vorgegeben. Die Partei versucht, an die verbreiteten anti-polnischen Ressentiments sowie die dominanten Kriminalitäts- und Sicherheitsdiskurse anzuknüpfen, und will sich als politische Lösung anbieten. Kurz: Die NPD will die erreichen, die denken, dass „die Polen alle klauen“ würden und dass die Grenze geschlossen gehört.

Das sind nicht wenige in Guben. Die NPD scheitert dann aber doch an der Realität. Einmal mehr berichtet sie später von „zahlreichen Passanten“, die informiert worden wären. Wir rekapitulieren deshalb die Rahmenbedingungen: Sonnabend, Obersprucke, am Monument.

1. Mai 2013

Zum Aufmarsch der NPD durch Berlin-Schöneweide am 1. Mai finden sich auch die üblichen Gubener NPD-Demo-Touristen ein, so der stellvertretende Kreisvorsitzende Alexander Bode und der Kreistagsabgeordnete Markus Noack. Bode übt wie gewöhnlich die Funktion eines Demo-Ordners aus – als verurteilter Gewalttäter ist er offenbar prädestiniert dafür. Noack trägt diesmal kein Transparent, sondern eine Fahne durch die Gegend – aus Gründen der Opportunität eine des Landes Berlin.

Insgesamt versammelt die NPD gut 500 Anhänger, die eine kurze Route durch Schöneweide zurücklegen. Sie sehen sich etwa 2000 Gegendemonstranten gegenüber.

7./8. Mai 2013

Im Polizeibericht vom 8. Mai heißt es zu Guben: „Unbekannte Täter brachten in der letzten Nacht mit Kreide mehrere Slogans auf den Asphalt in der Friedrich-Schiller-Straße auf. Inhalt der Schriftzüge ist der Tag der Befreiung am 8. Mai. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen in alle Richtungen aufgenommen.“

Die Polizei ermittelt in alle Richtungen? Man könnte es verstehen, wäre dort von den unbekannten Tätern „Спасибо! Thank you! Merci! !תודה“ geschrieben worden. Das wäre irgendwie international, da kämen einige Richtungen zusammen. Allerdings stand das dort sicher nicht und es würde auch nicht erklären, warum die Polizei – genauer: die Kriminalpolizei – ermittelt.

Gubener Nazis äußern sich am 8. Mai weniger verklausuliert. Sie präsentieren im Netz das Bild eines Graffito in der Klaus-Hermann-Straße, nur einige Meter von der Friedrich-Schiller-Straße entfernt. Gegenüber des Wilhelm-Pieck-Monuments ist dort an die Wand geschrieben: „8. Mai 1945 / Wir feiern nicht / NS“. Das Ausrufezeichen daneben stammt noch von einem Slogan, der letzten August angebracht und nur leidlich übertüncht wurde. „17.08.1987 / Mord an Hess“ hieß es damals an selber Stelle.

UPDATE
11. Mai 2013

In Cottbus drängt sich der NPD-Kreisverband Lausitz mit einer Kundgebung vor der Stadthalle auf, in der zeitgleich Jugendweihefeiern stattfinden. So müssen die rund 200 Feiernden auf dem Platz zeitweise die Reden des NPD-Kreisvorsitzenden Ronny Zasowk ertragen. Sein Thema ist zugleich der zweite Schwerpunkt der NPD in den anstehenden Wahlkämpfen: die Hetze gegen Asylbewerber.

Unter den gut 20 NPD-Anhängern findet sich wie üblich eine Abordnung aus Guben – zurück vom Berlin-Ausflug hält Markus Noack nun wieder eine Brandenburg-Fahne in die Luft. Nach der Kundgebung fahren die Teilnehmer nach Calau, um dort das erste Fußballturnier des NPD-Kreisverbandes abzuhalten.

 

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NPD-„Bürgernähe“ http://www.re-guben.de/?p=306 http://www.re-guben.de/?p=306#comments Thu, 28 Mar 2013 14:18:16 +0000 http://www.re-guben.de/?p=306 Am 23. März versuchte der NPD-Kreisverband Lausitz, mit Infoständen – unter anderem in Guben – aus seinem derzeitigen Aktionstief herauszukommen. Außerdem hatte die Bundespartei ihre Mitglieder zu einem „sozialen Tag“ aufgerufen, der wie eine Art Subbotnik für Neonazis wirkte.

Auch wenn die NPD mit ihrer Anti-Euro-Kampagne zuletzt bei der Landtagswahl in Niedersachsen eindrucksvoll scheiterte, bot ihr die aktuelle Situation in Zypern Anlass, ein weiteres Mal das angstbesetzte Thema „Finanzkrise“ in ihrem Sinne aufzugreifen. Der NPD-Kreistagsabgeordnete Karsten Schulz und ein paar andere traten dazu am Sonnabend in Obersprucke an.

Die Dokumentation dieser Infostände in der Lausitz durch die NPD lässt das Publikum regelmäßig über Wahn und Wirklichkeit reflektieren: Fotos zeigen zwei, drei einsame Parteiaktivisten mit Klapptisch und Werbezetteln auf menschenleeren Plätzen – dazu lässt die NPD verlauten, dass sich die Bürger für ihre Informationen interessiert hätten.

Die NPD-Spitze hatte für den Sonnabend außerdem einen „sozialen Tag“ ausgerufen, an dem die Parteimitglieder „Gutes“ für die Allgemeinheit tun sollten. Nach Einschätzung des bnr ist diese Idee, sich als „Kümmerer-Partei“ darzustellen, auf ganzer Linie gescheitert.

In Guben und Umgebung beschränkte sich der Einsatz der NPD-Aktivisten darauf, nachträglich den „Heldengedenktag“ zu begehen und unter anderem an Kriegerdenkmälern Blumen und Kerzen abzulegen – wie in den Jahren zuvor.

Der nationalsozialistische „Heldengedenktag“ im März wurde 1934 geschaffen. Er ersetzte den Volkstrauertag, der in der Weimarer Republik am Sonntag Reminiscere begangen wurde, und stellte die Heldenverehrung in den Mittelpunkt des Gedenkens. Ab 1939 wurde der Termin auf den 16. März – den Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht – bzw. den Sonntag davor gelegt. Auch wenn die Gubener NPD in diesem Jahr – offenbar aus organisatorischen Gründen – zu spät dran war: Wer im März der Kriegstoten als Helden gedenkt, bezieht sich damit auf eine nationalsozialistische Tradition.

 

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Spuren nach Dortmund – V-Mann Toni S. in Kontakt mit NSU-Terroristen? http://www.re-guben.de/?p=302 http://www.re-guben.de/?p=302#comments Tue, 26 Mar 2013 07:02:31 +0000 http://www.re-guben.de/?p=302 Nachdem unsere Geschichte des Verfassungsschutz-Informanten Toni S. mit seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe im Jahr 2002 endete, nimmt die WAZ heute die Spur des Brandenburger (Ex-)V-Manns wieder auf und ebenso die des NSU-Terroristen Uwe Mundlos. Beide könnten 2006 in Dortmund vor dem Mord an Mehmet Kubaşık zusammengetroffen sein. S. wäre dem NSU damit weitaus näher gewesen, als seine Kontakte ins sächsische Blood&Honour-Netzwerk bislang nahe legten. Er soll zudem mit Waffen gehandelt haben.

Die Recherche der WAZ stützt sich im Wesentlichen auf Akten der Dortmunder Polizei, in denen Berichte ihres V-Manns „Heidi“ festgehalten sind. Toni S. soll 2003 nach Dortmund gezogen sein. In Vernehmungen gab „Heidi“ laut WAZ an, dass er S. das erste Mal im September 2005 begegnete. Im März 2006 habe der V-Mann berichtet, dass S. versuche, scharfe Waffen aus Tschechien in Dortmund zu verkaufen. Ein Ermittlungsverfahren scheiterte, die Polizei konnte S. nicht weiter verfolgen.

Die WAZ berichtet weiter, dass der V-Mann im November 2011, nach dem Ende der NSU-Gruppe, ein weiteres Mal an die Polizei herangetreten sei. Er habe sich erinnern können, dass sich S. am 1. April 2006 in der Dortmunder Mallinckrodtstraße mit Uwe Mundlos traf. Wenige hundert Meter entfernt wurde am 4. April 2006 der 39-jährige Mehmet Kubaşık Opfer des NSU. Er wurde in dem Kiosk, in dem er arbeitete, erschossen. Das Geschäft in der Nordstadt befand sich in der Nähe des „Deutschen Hofs“, damals ein Treffpunkt der lokalen Neonazi-Szene.

V-Mann „Heidi“ soll 2006 dem Treffen keine Bedeutung beigemessen haben, weil er keinen Zusammenhang zum Mord herstellte. Er habe sich jedoch später an die „markanten Gesichtszüge“ von Mundlos erinnern können. Laut WAZ wollte die Dortmunder Polizei nach der letzten V-Mann-Aussage mit weiteren Ermittlungen den Kontakt von S. und NSU prüfen, was jedoch von der Bundesanwaltschaft unterbunden wurde.

Neben diesen Details zu möglichen Kontakten des NSU nach Dortmund sieht die WAZ außerdem eine Spur, die zurück nach Brandenburg führt. Den Polizeiakten zufolge sei S. nach 2002 regelmäßig in Cottbus gewesen, „wo auch Unterstützer des NSU verkehrten“. Die WAZ schreibt: „Nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen könnte Toni S. hier auch Mitglieder der Terrorzelle NSU kennengelernt haben.“

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Dessau, Dresden, Sulzbach – zwischen Erinnerung und Ignoranz http://www.re-guben.de/?p=265 http://www.re-guben.de/?p=265#comments Sat, 02 Mar 2013 08:39:57 +0000 http://www.re-guben.de/?p=265 Mindestens 182 Menschen wurden seit 1990 in Deutschland von Neonazis getötet. Der Umgang damit ist in den Städten, die es betrifft, sehr unterschiedlich. Er schwankt zwischen der Suche nach den geeigneten Formen der Erinnerung und Ignoranz. Dessau, Dresden und Sulzbach sind drei Orte, die genauso wie Guben von tödlicher rassistischer Gewalt betroffen sind.

Nicht an allen Orten, an denen Neonazis in Deutschland in den letzten 23 Jahren Menschen ermordeten, gibt es Initiativen oder Einzelpersonen die sich mit dem Ereignis auseinandersetzen. Das öffentliche Sprechen über Rassismus und Neonazismus ist in der Bundesrepublik immer nur dann erwünscht, wenn es nicht weh tut. Kommen die deutschen Zustände zu dicht an die eigene Haustür, dann ist die Reaktion oft abwehrend, herunterspielend oder leugnend. Spätestens nach dem Urteilsspruch gegen die Täter_innen ist man bemüht, wieder „Ruhe“ in den Ort zu bringen und davon zu reden, dass sich seit der Tat vieles verändert habe und die damalige Situation mit heute nicht vergleichbar sei.

Es geht auch anders. Während es in Guben nur noch eine Handvoll Menschen gibt, die die Erinnerung an Farid Guendoul und eine Auseinandersetzung mit seinem Tod am Leben erhalten wollen, gibt es bespielsweise in Dessau (Sachsen-Anhalt) eine ganze Reihe von Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen, die sich unterschiedliche Zugänge zur Erinnerung an den tödlichen Angriff auf Alberto Adriano erarbeitet haben.

Der aus Mosambik stammende Adriano wurde in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 2000 von drei Neonazis getötet. Sie überfielen den Familienvater nachts im Dessauer Stadtpark, beschimpften ihn als „Negerschwein“, schlugen und traten auf ihn ein. Sein Tod löste über die deutschen Landesgrenzen hinaus Bestürzung und Wut aus. Er fiel in eine Zeit, in der die Bundesrepublik mit einer neuen Welle rassistischer, antisemitischer und anderer rechtsmotivierter Gewalt konfrontiert wurde. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder rief nach weiteren Vorfällen im Sommer 2000 den sogenannten Aufstand der Anständigen aus. Ein neues Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus wurde ins Leben gerufen.

In den ersten Monaten und Jahren nach dem Tod Alberto Adrianos gingen die Impulse für eine aktive Erinnerung an ihn hauptsächlich von antifaschistischen und anderen linken Gruppen sowie dem damaligen Multikulturellen Zentrum der Stadt aus. Inzwischen wird die Erinnerung an Adriano und seinen Tod von einer breiten gesellschaftlichen Basis getragen, die bis in konservative Kreise der Stadt hinein reicht. Eine zentrale Botschaft ist dabei: „Aberto Adriano war ein Dessauer.“ Die Formen der Auseinandersetzung mit seinem Tod reichen von Demonstrationen und Kundgebungen, über Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Fachtagungen, bis hin zu Benefizkonzerten für die Familie Adrianos und Kunstinstallationen. In Zusammenhang mit dem Gedenken an Alberto Adriano gab es in Dessau auch heftige politische Auseinandersetzungen. Beispiele dafür sind der Streit um eine Gedenkstele oder um eine Holzskulptur des Bildhauers und Künstlers Stephen Lawson für den Dessauer Stadtpark, die von Initiativen gewünscht und vom Stadtrat blockiert wurde. Kritik wird von einzelnen Gruppen auch an der Beteiligung politischer Parteien am Gedenken geübt, die in ihren Programmen oder Handlungen eine diskriminierende Asylpolitik mittragen.

Dessau, Stele in Gedenken an Alberto Adriano am Tag der Erinnerung 2011

Dessau, Stele in Gedenken an Alberto Adriano am Tag der Erinnerung 2011

Eine Konstante in allen Bemühungen um eine Erinnerung an Alberto Adriano und seinen Tod bildet der 10. Juni, der in Dessau als „Tag der Erinnerung“ etabliert werden konnte. Jährlich versammeln sich dazu in Dessau zwischen 60 und 120 Menschen, die gemeinsam eine Gedenkveranstaltung durchführen.

Die Aktivitäten in Dessau konnten in den letzten Jahren an aktuelle Diskurse zu Neonazi-Gewalt und unterschiedlichen Formen des Rassismus anknüpfen. Sie boten einen Ausgangspunkt zur thematischen Beschäftigung mit der bundesdeutschen „Leitkultur- und Patriotismusdebatte“. Andere Überfälle von Neonazis auf Menschen in der Region werden in Zusammenhang mit der Erinnerung an Alberto Adriano genauso thematisiert wie Alltagsrassismus und fehlende kommunale Konzepte zum Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft. Seit 2005 war immer wieder auch der Tod von Oury Jalloh Thema auf den Gedenkveranstaltungen für Alberto Adriano. Oury Jalloh verbrannte gefesselt in einer Dessauer Gefängniszelle. Ein Dienstgruppenleiter des Polizeireviers, in welchem er starb, wurde wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. Die Umstände des Todes von Oury Jalloh sind bis heute nicht abschießend geklärt. Die Initiative „Break the Silence“ setzt sich für eine weiterführende Aufklärung des Falles ein.

Diskussionen um den Umgang mit rassistischen Morden gibt es auch in Dresden. Am 1. Juli 2009 wurde die Ägypterin Marwa El-Sherbini während einer Verhandlung am Dresdner Landgericht von einem Rassisten vor den Augen ihrer Familie mit 18 Messerstichen getötet. Der Freistaat Sachsen und die Stadt Dresden verleihen in Gedenken an sie seit 2012 ein Marwa El-Sherbini-Stipendium „für Weltoffenheit und Toleranz“ von monatlich 750 Euro. Daneben gab es in Dresden im Sommer 2012 Dissenz in Zusammenhang mit der Erinnerung an den Mord. Die Stadtratsfraktionen von Bündnis90/Grüne, SPD und Linkspartei bemühten sich um die Umbenennung eines Platzes oder einer Straße im Gedenken an Marwa El-Sherbini. Mit Hilfe der Stimmen der NPD wurden der Antrag durch die CDU im Dresdner Stadtrat abgelehnt. Der Fraktionsvorsitzende der CDU meinte, dass es das Ziel sei, „Dresden mit einem Netz der Schande zu überziehen“. Dies habe mit Jorge Gomondai begonnen und sich mit Marwa El-Sherbini fortgesetzt. Gomondai wurde bereits im April 1991 von rechten Skinheads in Dresden getötet. In den ersten Jahren nach seinem Tod waren es ausschließlich Antifa-Gruppen und migrantische Selbstvertretungen, die an seinen Tod erinnerten. Sie installierten einen Gedenkstein und führten jährlich Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen durch.

Dresden, Demonstration gegen Rassismus am Todestag von Jorge Gomondai im Jahr 2006

Dresden, Demonstration gegen Rassismus am Todestag von Jorge Gomondai im Jahr 2006

Seit der Jahrtausendwende schlossen sich der Dresdner Sportclub DSC mit einem jährlich stattfindenen Fußballturnier, dem „Gomondai-Cup“, sowie Kirchen-und Menschenrechtsgruppen den Gedenkveranstaltungen an. Im Jahr 2006, 15 Jahre nach seinem Tod, wurde der Platz, auf welchem Gomondai getötet wurde, in Jorge Gomondai-Platz umbenannt. Im Beisein der Mutter und eines Bruders sowie des mosambikanischen Botschafters wurde der Gomondai-Platz von der Stadtspitze eingeweiht.

Davon ist man im saarländischen Sulzbach/Saar sehr weit entfernt. Die Kleinstadt ist mehr als 800 km von Guben entfernt, aber kann dennoch einige Gemeinsamkeiten mit der Neißestadt vorweisen. Im August 2002 wurde auf dem dortigen Salzbrunnenfest der 19-jährige Ahmet Sarlak von einem organisierten Neonazi getötet. Ahmet Sarlak soll einem rechten Festbesucher eine Zigarettenkippe gegen den Kopf geschnipst haben. Anschließend wurde er vom stadtbekannten Neonazi Carlos N. angegriffen und mit einem Messer fünfmal in Bauch und Brust gestochen. Bei seiner Verhaftung soll Carlos N. einen Polizisten mit einer Pistole bedroht haben. In seiner Wohnung wurden umfangreiches Propagandamaterial, rechte Musik, Waffen und eine Hakenkreuzfahne gefunden. Verurteilt wurde N, lediglich wegen Totschlags und war nach sechs Jahren wieder auf freiem Fuß. Ein rassistisches Tatmotiv wurde im Urteilsspruch nicht berücksichtigt. Bei der Urteilsverkündung kam es im Gerichtssaal zu Tumulten. Die Angehörigen und Freunde von Ahmet Sarlak sowie Antifaschist_innen, die gegen das Urteil protestierten, wurden von der Polizei aus dem Saal gedrängt. Die türkischen Gemeinden der Region zeigten sich empört.

Das Sulzbachtal ist nach Informationen von regionalen Antifaschist_innen seit mittlerweile über zehn Jahren eine Schwerpunktregion des organisierten Neonazismus in Westdeutschland. Sara Jost, Pressesprecherin der Antifa Saar/Projekt AK, berichtet, dass seit 2006 eine kameradschaftsähnliche Struktur unter dem Namen „Widerstand Sulzbachtal“ an die Öffentlichkeit tritt. Sie gehört zu einer Vernetzung um den Saarlouiser Neonazis Domenik K. Bei den Jubelfeiern zur Fußballweltmeisterschaft sollen bei Autokorsos in Sulzbach in der Vergangenheit auch Reichskriegsflaggen gezeigt worden sein. Dass die NPD einen ihrer wichtigsten Landesparteitage im Jahr 2009 ausgerechnet in Sulzbach abhielt, scheint kein Zufall zu sein. Laut Sara Jost sind Neonazis im Straßenbild und in Kneipen in Sulzbach sichtbar. Vor dem Stuttgarter Landgericht ist derzeit der Sulzbacher Patrick M. angeklagt, der aus der Sulzbacher Kameradschaftsszene stammt. Er soll gemeinsam mit 12 anderen Neonazis im baden-württembergischen Winterbach eine Gartenlaube angezündet haben, in der sich Menschen aufgehalten hatten, die sich vor den Rechten versteckt hielten.

Die politischen Verantwortungsträger der Stadt erscheinen ignorant. Auf eine Anfrage von RE:GUBEN antwortete der Pressesprecher der Stadt Sulzbach, Elmar Müller: „Es gibt in Sulzbach keine rechtsextremen Strukturen.“ Auf die Frage, wie die Formen der Erinnerung an den Tod von Ahmet Sarlak aussehen, hieß es: „Es gab in den letzten Jahren von Seiten der Stadt keine Formen der Erinnerung.“ Die Frage nach einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit Rassismus und organisierten Neonazis wurde mit der Antwort quittiert, dass man von Seiten der Stadt keine Kenntnis über Initiativen oder Einzelpersonen habe, die sich in der Region mit der Thematik befassen.

 

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NPD steht in Cottbus sinn- und merkbefreit in der Gegend rum http://www.re-guben.de/?p=223 http://www.re-guben.de/?p=223#comments Sat, 16 Feb 2013 21:20:36 +0000 http://www.re-guben.de/?p=223 Am Aufmarsch der NPD Lausitz am 15. Februar in Cottbus nahm auch der Gubener Ortsverband teil. Unter anderem fungierte der stellvertretende Kreisverbands-Chef Alexander Bode als Organisator im Hintergrund. Die Gubener NPD-Kreistagsabgeordneten traten ebenfalls in Erscheinung: Karsten Schulz als Demo-Ordner, Markus Noack wie üblich als Transparenthalter. Die NPD brachte etwa 130 Leute auf die Beine, die aber kaum in Bewegung kamen. Ganze 600 Meter schaffte der Aufzug und kehrte dann zum Ausgangspunkt zurück. Die Polizei musste die Veranstaltung aufgrund massiver Proteste abkürzen. Für die Strecke rund um die ehemalige Alvensleben-Kaserne und durch nur teilweise besiedeltes Stadtgebiet brauchten die Neonazis vier Stunden.

Seit dem Nachmittag demonstrierten Cottbuserinnen und Cottbuser gegen die NPD. Die Lausitzer Rundschau spricht von 2500, die den Aufrufen der Bündnisse Cottbus nazifrei und Cottbuser Aufbruch folgten. Am Abend blockierten mehrere hundert Menschen mögliche Demonstrationsrouten der NPD. Umgeben von Blockaden und Polizisten gelangten die Neonazis nur bis zum Cottbuser Viehmarkt, wo sie eine Kundgebung abhielten. Sie stellten sich im Kreis um vier Fackelträger und die Redner des Aufmarsches: Ronny Zasowk, Bundesvorstand und Kreisvorsitzender der NPD, sowie Maik Scheffler, Mitbegründer des sogenannten Freien Netzes, einer bedeutenden Neonazi-Kommunikationsplattform, und stellvertretender NPD-Chef in Sachsen.

Der Anlass des Aufmarsches – die Bombardierung von Cottbus 1945 – rückte in den Reden in den Hintergrund. Zwar brachte Scheffler mit dem Gedenken an die Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS, die „für die Freiheit des deutschen Volkes“ gestorben seien, sowie der Rede vom „Bombenholocaust“ neonationalsozialistische Geschichts-„Standards“. Auch Zasowk wiederholte die ihm eigene Thematisierung von „Kriegstreibern“. Darüber hinaus beherrschten Jammern über gesellschaftlichen Gegenwind und aggressive Beschimpfungen der politischen Gegner die Reden. Zasowk halluzinierte mit Lenin eine baldige revolutionäre Situation herbei und verstieg sich in die Behauptung, dass die NPD die „Deutungshoheit“ über den 15. Februar in Cottbus habe. Den Rückweg gestaltete die NPD als Spontandemonstration, so dass die frustrierten Teilnehmer keinen Schweigemarsch mehr abhalten mussten, sondern nach einem „nationalen Sozialismus“ rufen konnten.

Zuletzt nahm eine Gubener „Reisegruppe“ am 12. Januar 2013 an einem Neonazi-„Gedenkmarsch“ in Magdeburg teil, darunter wiederum Bode (Ordner), Schulz (Ordner) und Noack (Transparent).

 

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